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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Nord kandidiere, gehöre ich zu den bestbewachten Personen Italiens, wenn nicht Europas. Finanziell kann man mir nicht schaden, auch politisch hält uns keiner auf. Es gibt nur einen wunden Punkt in meinem Leben: Beatrice.«
    Nach diesen Worten schien ihn so etwas wie Rührung zu übermannen. Während Nerius in gebotener Zurückhaltung dolmetschte, zückte Petazzi ein Stofftaschentuch und schnäuzte dezent hinein.
    »Das heißt«, fasste ich zusammen, »Sie glauben, mit dem Tod Ihrer Tochter wollte man ganz persönlich Sie treffen?«
    »Richtig.«
    Ich warf Nerius einen irritierten Blick zu. Sogar zu der dunkelblauen Masse im Hintergrund schielte ich kurz hinüber. Aber niemand lachte, niemand klatschte fröhlich in die Hände und rief: Na, ist das nicht ein schönes Kasperletheater? Da haben wir dem netten Herrn Koller aber einen dicken Florentiner Bären aufgebunden! Nichts dergleichen tat sich, nur ein Handy klingelte irgendwo. Petazzis Bodyguard nahm das Gespräch flüsternd entgegen.
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Aber das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
    »Herr Koller!«, brauste Petazzi auf. Gleich darauf hatte er sich wieder im Griff und fuhr mit sanftem Bariton fort: »Sie müssen sich das auch nicht vorstellen können. Sie sollen bloß ermitteln. Verstehen Sie? Bloß ermitteln.« Er hielt inne und schaute zu seinem Leibwächter auf, der, mit dem Handy in der Rechten, auf ihn zukam. Das Ding verlor sich geradezu in der Pranke des Riesen. Es folgte ein gedämpfter Wortwechsel, Signor Petazzi schien wenig erfreut über die Störung, aber am Ende ließ er ein kurzes »Entschuldigung« fallen und stemmte sich aus seinem Stuhl hoch. Gestützt von seinem Mädchen für alles, wackelte er durch den Raum bis zu einem Sekretär, auf dessen Platte ein Laptop stand.
    »Dringende Geschäfte«, murmelte Nerius. »In Mailand scheint es Probleme zu geben.«
    Ich sah zu dem ungleichen Paar hinüber. Der Koloss hielt seinem Chef das Handy ans Ohr, während Petazzi lauschte, antwortete, wieder lauschte und die Tastatur des Laptops bearbeitete. Sieh an, seine sanfte Stimme konnte ganz schön schroff klingen.
    »Diese Mailänder«, sagte ich. »Müssen die immer Probleme machen?«
    Nerius schwieg.
    Und so warteten wir mal wieder. Der arbeitslose Kunsthistoriker verharrte regungslos in seinem Stuhl, während ich das Likörglas leerte, von der rechten auf die linke Pobacke wechselte, Löcher in die Luft starrte. Derweil verschob Petazzi ein Milliönchen von Florenz nach Mailand. Oder Aktien. Oder Arbeitnehmer. Vielleicht mailte er seinem Geschäftsfreund auch nur ein paar Fotos vom letzten Puffbesuch in Milano. Egal. Unwillkürlich schaute ich an mir herab. Ich habe weder einen Laptop noch eine Million auf dem Konto, aber zwei Beine, auf denen man ohne Gewackel stehen kann. In diesem Moment war ich verdammt froh um sie.
    »Möchten Sie noch einen Drink?«, fragte Nerius.
    »Gern. Aber nicht allein. Ziehen Sie mit?«
    Wortlos stand Nerius auf, ging zur Bar und kam mit der grünen Flasche und einem zweiten Glas zurück. Er schenkte mir ein, er schenkte sich ein, dann trank er. Mechanisch. Leidenschaftslos. Er war überhaupt ein leidenschaftsloser Mensch, treuer Diener seines Herrn und begnadeter Dolmetscher. Mich hätte interessiert, welcher meiner deutschen Sätze einigermaßen ungefiltert an Petazzis Ohr gedrungen war. Wahrscheinlich hatte Nerius in seiner verbindlichen Art überall ein paar Ecken abgeknipst, Kanten weggehobelt, Überstände rundgeschliffen. Schnapsidee wollte er nicht übersetzen. Ich hätte Räuberpistole sagen sollen. Denn eine Räuberpistole war es, was sich Beatrices Vater da zurechtfantasiert hatte. Ein Anschlag auf ihn selbst, mit dem Umweg über seine Tochter – lächerlich!
    »Was halten Sie von seiner Theorie?«, fragte ich Nerius.
    Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Natürlich, bloß keinem zu nahe treten! »Er hat einen grauenhaften Verlust erlitten«, sagte er schließlich. »Das müssen Sie verstehen. Haben Sie Kinder?«
    »Nein.«
    »Ich habe einen Jungen. Er wird drei. Wenn ich mir vorstelle …« Er wischte sich mit einer Hand übers Gesicht, als wolle er böse Gedanken vertreiben. »Ich werde ihm seine Idee jedenfalls nicht ausreden. Ich nicht.«
    »Nein, Sie nicht, Herr Nerius. Das hätte auch keiner von Ihnen erwartet. Kannten Sie Beatrice?«
    Er sah mich direkt an. »Wieso?«
    »Wieso nicht? Die Tochter Ihres Mäzens immerhin. Die wie Sie in Heidelberg lebte. Da wird

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