Altstadtfest
ein!«
»Entschuldigung«, schmunzelte er. »Das kam jetzt nur etwas …«, er hüstelte, »etwas unvermittelt.«
»Unvermittelt, ja? Sie haben es wirklich nicht mit den Adjektiven.« Ein Griff nach dem Glas, um den Rest Likör zu trinken, aber es war ja schon leer. Ich saß auf dem Trockenen, und der Schnösel hatte Oberwasser. Natürlich wusste ich ganz genau, was ihn so erheiterte. Max Koller und Psychologie – das klang so überzeugend wie … wie Flavio Petazzi im olympischen Sprintfinale. Wie eine Schneeballschlacht in der Kalahari. Ein klassisches Oxymoron war das, um auf den typischen Germanistensprech zurückzukommen. Vielleicht hätte ich mich von Anfang an bei den Literaturwissenschaftlern einschreiben sollen. Da gab es nicht ganz so viele traurige Existenzen wie in Psychologie, und hin und wieder traf man Frauen vom Schlag Beatrices. Junge, nette, lebensfrohe Damen. Zumindest wirkten sie so, wenn man sie aus der Ferne betrachtete: durch Wolfgang C. Nerius’ Unschärfeglas, das sogar aus einem Lega-Nord-Funktionär einen Philanthropen machte. Einen kunstsinnigen Philanthropen, um exakt zu sein.
Nein, es war schon besser, der Heidelberger Alma Mater und all ihren universitären Schicksen rechtzeitig den Rücken gekehrt zu haben. Am Ende wäre ich selbst einer dieser promovierten Nichtstuer geworden, mit einer Galerie und einem Dreijährigen an der Backe, ausgehalten von einem konservativen Geldsack, der sich von der Muse geknutscht glaubte.
Dann lieber nichtpromovierter Nichtstuer. Die hatten im Englischen Jäger unbegrenzten Kredit.
4
Ich wollte mir eben wieder einschenken, als die Lage in Norditalien bereinigt schien. Petazzi zog sich am Arm seines Gorillas in die Höhe und kehrte zu uns zurück, jeder Schritt eine Überwindung. Noch im Gehen schenkte er uns ein Lächeln. Wahrscheinlich stand morgen in der Zeitung, dass Mailand verkauft und ins Portfolio einer Investmentbank übergegangen war.
»Greifen Sie zu«, sagte er und deutete auf den grünen Zaubertrank. Das ließ ich mir nicht dreimal übersetzen.
»Herr Koller«, fuhr er anschließend fort, »ich weiß nicht, ob ich mich vorhin korrekt ausgedrückt habe. Ich möchte Sie nicht engagieren, damit Sie mir den Mörder servieren, wie ein Hund seinem Herrchen apportiert. Dass das nicht möglich ist, weiß ich selbst. Was Sie tun sollen, ist: die Lücken der Polizeiarbeit füllen. Ein Feld beackern, das von den hiesigen Behörden vernachlässigt wird. Sehen Sie, die Gruppe oder die Organisation, die hinter dem Attentat steckt, muss irgendwann einmal Kontakt zu meiner Tochter aufgenommen haben. Über einen Kommilitonen wahrscheinlich. Sie wussten, dass Beatrice das Konzert besuchen würde. Das ist meine Überzeugung, meine These, die von der Polizei ausgeblendet wird. Es soll auch Ihre Ausgangsthese sein; versuchen Sie, Belege dafür zu bringen.«
»Vergessen Sies«, sagte ich und erntete einen strafenden Blick von Nerius.
»Wie bitte?«, fragte Petazzi.
»Sagen wir so: Ich akzeptiere die Theorie vom Attentat gegen Sie und Ihre Tochter als den Erklärungsversuch eines persönlich Betroffenen. Aber ich teile sie nicht.«
»Das spielt für mich keine Rolle. Um es ganz klar zu sagen: Mir ist egal, was Sie über den Anschlag denken. Ich brauche Ergebnisse, und die sollen Sie liefern. Dabei möchte ich Ihre Dienste komplett in Anspruch nehmen, es geht immerhin um den Mord an meiner Tochter. Finanzielle Einschränkungen bestehen nicht. Falls Sie anderen Klienten Zusagen gemacht haben, verschieben Sie diese Engagements und geben Sie eventuelle Ausgleichsforderungen an uns weiter.«
»Nicht so schnell, Signor Petazzi. Was Sie mir anbieten, klingt gut, das muss ich zugeben. Etwas anderes klingt dafür gar nicht gut. Ihnen ist egal, was ich über den Anschlag denke? Sie sind der Meinung, dass es auf meine Meinung nicht ankommt? Genau da bin ich anderer Meinung. Wissen Sie, ich habe kein Problem damit, mich auf die verrücktesten Aufträge einzulassen. Reizt mich sogar. Aber meinen Grips und meine Urteilsfähigkeit werde ich deswegen nicht einmotten. Ich bin nun mal einer von den Privatflics, die das selbsttätige Denken für keinen Geburtsfehler halten, sondern für ein Privileg. Natürlich kann ich ermitteln, kann versuchen, Ihnen Ergebnisse zu liefern. Aber dabei bleibt mein Verstand eingeschaltet, und wenn ich das Gefühl habe, ich müsste irgendwo meinen Senf dazugeben, werde ich das tun. Verklickern Sie ihm das, Herr Nerius. Es darf ruhig
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