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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Szenarien noch nie abgeschreckt, im Gegenteil. Der entscheidende Grund für mich, diesen Auftrag anzunehmen, ist allerdings ein anderer: Ich möchte bei der Aufklärung des Attentats mithelfen, und Sie geben mir eine Gelegenheit dazu. Auch wenn mein Beitrag wahrscheinlich nur darin bestehen wird, Ihre Theorie zu widerlegen.«
    »Das werden wir sehen.«
    »Ja, das werden wir sehen. Wenn Sie akzeptieren, dass ich eine eigene Meinung über die Vorkommnisse habe, sind wir im Geschäft.«
    Zu meiner Überraschung wandte sich Petazzi dem Kleiderschrank in Blau zu und fragte ihn etwas auf Italienisch. Der Koloss nickte, da nickte sein Chef auch.
    »Einverstanden«, übersetzte Nerius.
    »Prost«, sagte ich und hob mein Likörglas.
    Das war es also. Ein ziemlich durchgeknallter Auftrag, erteilt von einem Politiker der Lega Nord, einem dubiosen Machtmenschen auf zittrigen Beinen. Irgendwie geriet ich dauernd an reiche Säcke, die Schwierigkeiten mit dem Gehen hatten. Letztes Jahr Frau von Wonnegut mit ihrer Sorge um die Zukunftsmusik der Stadt, heute Flavio Petazzi. Sie schienen mich anzuziehen – oder ich sie.
    Ich wollte eben aufstehen, als mir Petazzis Leibwächter einen schweren Ordner in den Schoß drückte.
    »Unterlagen für Sie«, erklärte Nerius. »Sie können sie im Vorzimmer durchgehen. Bitte nehmen Sie nichts nach draußen mit; bei Bedarf macht Luigi Ihnen eine Kopie.«
    Mit anderen Worten: Die Audienz war zu Ende. Ich schüttelte Petazzi die Hand und ließ mich von Nerius hinausführen. Den Ordner legte ich auf den kleinen Tisch, daneben stellte ich die grüne Flasche, die ich ganz aus Versehen mitgenommen hatte.
    »Einen Moment noch«, hielt ich den Kunsthistoriker auf. »Wie kamen Sie ausgerechnet auf mich? Zufall?«
    »Sie wurden uns empfohlen. Von einem meiner Studienfreunde: Bernd Nagel, Sie werden ihn noch kennen.«
    »Nagel?« Natürlich kannte ich ihn. Einen Mann, den ich letztes Jahr in den Knast gebracht hatte. Und der sollte eine Empfehlung für mich ausgesprochen haben?
    »Er hat sich positiv über Sie geäußert.«
    »Soso.«
    »Im Übrigen sollten Sie nicht davon ausgehen, dass Signor Petazzi in diesem Fall ausschließlich auf Ihre Dienste setzt«, grinste Nerius. »Also, schauen Sie die Papiere durch, und wenn Sie fertig sind, melden Sie sich.« Er dackelte zu seinem Herrchen zurück.
    »Um Gottes willen«, stöhnte ich, mit dem Ordner und dem Likör allein. Auf Begegnungen mit der lokalen Konkurrenz hatte ich überhaupt keine Lust. Wie stellte sich Petazzi das vor? Da konnte man ein Zeugengespräch ja gleich zur Pressekonferenz umfunktionieren. Und bei der Tatortbegehung zogen wir Hölzchen, wer als Erster drankam. Ich setzte die Flasche an den Mund – das Glas hatte ich im Nebenraum gelassen – und trank einen kräftigen Schluck. Dann klappte ich den Ordner auf.
    Ich brauchte eine halbe Stunde, um das Material zu sichten. Danach war ich klüger, aber nicht sehr. Es war reichlich überflüssiges Papier dabei, eine Kopie von Beatrices Geburtsurkunde zum Beispiel oder ihr Führerschein. Und was sollte ich mit ihrem Heidelberger Semesterticket anfangen? Das Konvolut machte auf mich den Eindruck, als habe es eine Sekretärin ihrem Chef fünf Minuten vor der Aufsichtsratssitzung zusammengeheftet. Frau Schröder, suchen Sie mir bitte alles heraus, was wir zum Vorgang Petazzi, B. haben. Und ein bisschen dalli, meine Liebe!
    In diesem Fall dürfte die Sekretärin auf den Namen Wolfgang C. Nerius hören, und die Bitte war auf Italienisch vorgebracht worden.
    Also, was hatten wir? Beatrices Immatrikulationsbescheinigung. Ihr Studienbuch, ein benoteter und ein unbenoteter Schein. Für ihr Referat über regionale Organisationsformen von Globalisierungskritikern hatte sie eine Zwei bekommen. PD Dr. Arendt, Hauptseminar »Neue Weltordnung«, Historisches Seminar der Universität Heidelberg. Das war das erste Mal, dass ich stutzte. Hatte ihr Vater nicht etwas von radikalen Globalisierungsgegnern gefaselt, die hinter dem Anschlag stecken könnten? War hier vielleicht ein Ansatz? Ich machte mir eine Notiz und blätterte weiter.
    Auch die folgenden Dokumente entstammten Beatrices Unialltag: ein Briefwechsel mit dem Akademischen Auslandsamt, italienische und deutsche Gutachten, Studienunterlagen. Offizieller, unpersönlicher Kram. Ungefähr so ergiebig wie Nerius’ Antwort auf meine Frage, was für ein Mensch Beatrice Petazzi gewesen war.
    Der nächste Packen enthielt Zeug aus Italien. Beatrices Abiturzeugnis,

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