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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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    Unvermittelt wurde die Zwischentür geöffnet, und ein beflissenes Gesicht schaute herein.
    »Haben Sie noch Fragen?«, wollte Nerius wissen. »Wir sind nämlich im Aufbruch begriffen.«
    »Zurück nach Florenz?«
    »Unsinn. Wir fahren in die Galerie meiner Frau, um die Gedenkfeier für Beatrice vorzubereiten. Morgen Abend, kommen Sie doch auch. Wir finden dann schon eine ruhige Minute für eine Lagebesprechung.«
    »Wo?«
    »Galerie Urban, Bauamtsgasse.«
    »Gut. Ein paar Fragen hätte ich tatsächlich noch. An den Signore, wenn es recht ist. Außerdem würde ich gerne das Foto mitnehmen.«
    Nerius hielt mir die Tür auf. Im Nebenraum ließ sich Petazzi von seinem Gorilla eine Tablette und ein Glas Wasser reichen. Nerius gab das Foto an den Koloss weiter, der wortlos durch eine andere Tür verschwand.
    »Herr Koller?«, sagte Petazzi, wie zuvor auf Deutsch.
    »Die Unterlagen in Ihrem Ordner sind ziemlich informativ«, sagte ich und setzte mich neben ihn. »Über Ihre Tochter weiß ich nun eine ganze Menge. Was ich nicht weiß: Wie war das Verhältnis zwischen ihr und ihrem Vater?«
    Nerius übersetzte nach einer winzigen Sekunde des Zögerns. Auch Petazzi ließ sich Zeit mit seiner Antwort.
    »Ich verstehe nicht«, lächelte er. »Was hat das mit Ihren Ermittlungen zu tun?«
    »Ich recherchiere.«
    »Es war ein gutes Verhältnis, ein sehr gutes. Sie war schließlich meine einzige Tochter.«
    »Dann waren Sie sicher ab und zu bei ihr in Heidelberg?«
    Das Lächeln verschwand. Petazzi starrte mich an. Langsam fuhr seine rechte Hand zum Kinn, strich darüber, verharrte an der Kinnspitze, um zuletzt wieder in den Schoß zu sinken. Der kleine Finger zitterte kaum wahrnehmbar.
    »Warum fragen Sie das?«, sagte er. Sein Leibwächter kam zurück, in der Hand drei Farbkopien von Beatrices Foto, die er mir reichte.
    »Fragen gehören zu meinen Ermittlungen, Signor Petazzi. Ich möchte mehr über Ihre Tochter wissen. Wenn Sie sie in Heidelberg besucht haben, können Sie mir sicher etwas über ihren Bekanntenkreis berichten, über ihre Hobbys und über das, was sie außerhalb des Studiums unternommen hat.«
    Er stand auf, ganz ohne Hilfe, und stellte sich neben seinen Stuhl. Der stumme Gorilla brachte ihm einen leichten Schal, Hut und Gehstock. »Beatrice kam an Weihnachten und an Ostern nach Hause. Wenn Sie mich besser kennen würden, wüssten Sie, dass ich so gut wie keine Gelegenheiten zu privaten Reisen habe.«
    »Hat sie von Freundinnen oder Freunden gesprochen, mit denen sie sich in Heidelberg traf? Irgendein Hinweis auf jemanden, mit dem sie ein enges Verhältnis hatte?«
    »Sie hat nur sehr allgemein von ihren Bekanntschaften in Deutschland berichtet.«
    »Aber sie hat Ihnen doch sicher Briefe geschrieben. Was stand darin? Können Sie sich an Besonderheiten erinnern?«
    Nerius schüttelte den Kopf. »Soll ich das wirklich übersetzen?«
    »Natürlich.«
    Die Antwort war eindeutig: Petazzi lachte auf und rammte sich den Hut auf den Kopf. »Das ist Privatsache!«, knurrte er.
    »Ich soll ermitteln«, bohrte ich weiter. »Das tue ich gerade.«
    Wortlos setzte er sich in Bewegung. Die rechte Hand krampfte sich um den Knauf seines Gehstocks.
    »Hatte sie einen Freund?«
    »No!«
    »Keinen Freund«, nickte ich. »Gut. Dann erzählen Sie mir bitte, wie sie auf den Gedanken kam, in Deutschland zu studieren?«
    Diese Frage beliebte mein Auftraggeber etwas ausführlicher zu beantworten. Im Gehen sang er sogar ein kleines Loblied auf unser Land. Auf unsere Kultur, unsere Lebensart, auf Goethe, Beethoven und Kant, auf unsere schönen Wälder und gastfreundlichen Menschen. Und erst die deutschen Universitäten, ihr Ruf, ihre Geschichtsträchtigkeit! Es gab viele Gründe, in Deutschland zu studieren, und Petazzi war noch nicht fertig mit seiner Aufzählung, als wir den Hotelflur erreicht hatten.
    »Verstehe«, stoppte ich seinen Redefluss. »Sie wollte ja auch Deutschlehrerin werden. Wie standen Sie zu dieser Berufswahl?«
    »Ich habe ihr nicht vorgeschrieben, welchen Beruf sie ergreifen sollte.«
    Wir begegneten einem Hotelangestellten, der sich servil an die Wand drückte, bis wir vorbei waren. Petazzi mit seinem Wackelgang bestimmte das Tempo. Wahrscheinlich verwünschte er in diesem Moment seine Krankheit, die ihm nicht erlaubte, vor meinen Fragen davonzurennen. Mit denen ich im Übrigen keinen besonderen Zweck verfolgte. Bloß ein paar Probebohrungen in unerschlossenem Gelände.
    »Und wie sah es umgekehrt aus?«,

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