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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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vor, die durchs Unterholz zog und lauthals Parolen quiekte. »Reinrassige Frettchen an die Macht! Keine Vermischung mit Wieseln und Hamstern! Iltisse raus aus Frettchenland!«
    »Alle waren also der Meinung, dass was getan werden muss. Irgendwann ist das Maß voll, verstehst du? Einem von uns haben sie gekündigt, weil sie einen Behinderten eingestellt haben. Einen Mongo, das glaubst du nicht! Die mussten den sogar einstellen, ist Gesetz. Und wen hats getroffen? Einen Deutschen!«
    »Vielleicht war der Behinderte ja ein reinrassiger Arier?«
    »Quatsch nicht. Mein Dings, mein Verwandter sagte daraufhin, jetzt reichts, wir unternehmen was. Und da hatte er recht, verdammt noch mal.«
    »Ein naher Verwandter?«
    Er sah mich kurz von der Seite an. »Sagen wir, ein Cousin.« Er sprach das Wort wie »Kusseng« aus, mit Betonung auf der ersten Silbe. »Wenn mein Cousin etwas sagt, wirds auch gemacht. War schon immer so. Und dann gab es ein Kameradschaftstreffen in Berlin, da konnte ich nicht mitfahren. Danach war plötzlich alles anders. Als sie zurückkamen, haben sie nicht mehr mit mir über Aktionen geredet. Bloß Andeutungen gemacht, ganz winzige. Ich wusste genau, die haben was vor, nur sagen wollten sie mir nix. Ich war nämlich gegen Aktionen, bei denen Volksgenossen geschädigt werden.«
    »Und weiter?«
    »Wie, weiter? Dann kam der Anschlag auf den Heidelberger Herbst. Ich hätte nie gedacht, dass sie so was Bescheuertes vorhaben!«
    »Was?«, lachte ich. »Das ist alles? Nur weil deine Saufkumpanen ein bisschen geheimnisvoll tun, meinst du, die stecken hinter …«
    »Maul halten!«, fuhr er mich an. »Ich hab ja nicht alles gesagt. In den letzten Wochen haben die sich dauernd getroffen, und wenn ich mitmachen wollte, hieß es, nix da, innerer Zirkel, du gehörst nicht dazu. Und ich hab gemerkt, dass sie was planten, ich hab gemerkt, dass sie Waffen ausprobierten. Seit dem Kameradschaftstreffen in Berlin, da muss etwas passiert sein. Plötzlich fährt mein Dings, mein Cousin dauernd nach Heidelberg. Und als ich einmal bei ihm herumschnüffele, erwischt er mich und sagt, ein zweites Mal würde ich das nicht überleben. Todernst war dem das, todernst.«
    »Wo wohnt dein Cousin? Und die anderen Kameraden?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nix. Erst wenn ich das Geld sehe.«
    »Gut«, sagte ich und schlug die Beine übereinander. »Eine schöne Geschichte. Wirklich sehr schön. So ähnlich hätte ich sie mir auch ausgedacht, wenn ich …«
    »Du verdammtes Arschloch!«, brach es aus ihm heraus. Das runzlige Mütterchen fingerte an seinem Hörgerät herum und lächelte uns zu: zwei entzückenden jungen Männern bei einem Ausflug in die schöne grüne Natur. Ich lächelte zurück.
    »Was willst du denn noch?«, zischte der andere entzückende junge Mann. »Namen und Adressen gibt es nur gegen Geld.«
    »Immer mit der Ruhe. Ich sehe keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass deine arischen Jungs den Anschlag verübt haben sollen. Alles, was du mir erzählt hast, sind Vermutungen.«
    »Vermutungen, ja?« Er versuchte es mit einer Art Grinsen, das mich seine verfärbten Nagezähne sehen ließ. »Jetzt hör mal gut zu. Letzten Samstag habe ich versucht, einen von denen zu erreichen. Nix, niemand! Alle ausgeflogen. Die Freundin meines Cousins dachte, er wäre in Frankfurt. War er aber nicht. Und von den anderen hieß es, die wollten zu Wald- … zu ’nem Fußballspiel.« Er verschluckte sich fast. »Waren sie aber nicht. Hab ich nachkontrolliert. Ich wusste doch, dass sie was ohne mich planten, die Schweine.«
    »Klingt, als hättest du selbst gerne mitgemacht.«
    »Wenn es gegen Ausländer oder gegen Zecken geht, bin ich dabei, immer. Aber nicht bei so einer Scheiße. Die haben das gemerkt. Deshalb ging die Aktion ohne mich über die Bühne. Und jetzt sind sie untergetaucht, ich habe diese Woche noch keinen von ihnen gesehen.«
    Zum zweiten Mal an diesem Tag fuhr ich in Schriesheim ein, diesmal aus nördlicher Richtung. Ich wartete, bis alle neuen Passagiere einen Platz gefunden hatten, dann fragte ich: »Hast du noch mehr auf Lager?«
    »Den Rest gibt es morgen. Aber nur gegen Bares. 50.000, drunter mache ich es nicht. Verstehst du, die haben mich auf dem Kieker. Die wissen, dass ich ihre Aktion scheiße finde und dass ich der Einzige bin, der sie auffliegen lassen kann. Ich muss weg, klarer Fall.«
    »Wohin? Ins nichtarische Ausland?«
    »Lass das mein Problem sein, Schnüffler. Also, was ist? Kommen wir ins Geschäft,

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