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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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dem anderen nichts zu tun«, sagte ich, weil sie immer noch auf eine Antwort wartete. »Wir hätten uns Gott weiß wo verloben können, und es wäre schiefgegangen.«
    »Weißt du, früher dachte ich, wir sollten noch einmal gemeinsam nach München fahren, um … na ja, vielleicht würde es wieder so lustig wie damals. Aber jetzt kann ich das nicht mehr. Nicht nach diesem Anschlag in Heidelberg.«
    »Auch der hat nichts mit der Bombe von 1980 zu tun. Mein Gott, das ist fast 30 Jahre her, und seitdem haben Millionen in München auf den Biertischen getanzt, sich ins Koma gesoffen und in den Büschen übernachtet. Du magst das wieder zynisch nennen, aber es ist nun mal so.«
    »Ja, ich weiß. Trotzdem wünschte ich, wir hätten uns nicht gerade an diesem Ort, in dieser Atmosphäre zur Heirat entschlossen.«
    Ich sagte ihr nicht, dass ich genau gegenteiliger Ansicht war. Einen Fehler fürs Leben zu begehen, ist die eine Sache. Ihn im nüchternen Zustand zu begehen, eine andere. Was war ich froh, die fünf oder sechs Maß von damals als Ausrede benutzen zu können!
    Stockend ging unser Gespräch zu Ende. Ich dankte ihr noch einmal für ihre Auskünfte, sie bat mich, vorsichtig zu sein. Man könne ja nie wissen. Als ich sagte, dass ich gleich zu einer Vernissage führe, war sie beruhigt. Ob mein Interesse an Kunst etwas mit meinen Ermittlungen zu tun haben könnte, wollte sie gar nicht wissen. Sie ging einfach davon aus, und das zu Recht.
    »Hast du meinen Brief bekommen?«, fragte sie zum Abschied.
    »Nein, noch nicht.«
    »Vielleicht morgen. Machs gut, Max.«
    »Du auch.«
    Als ich um kurz vor sieben in die Bauamtsgasse einbog, erkannte ich die Galerie Urban kaum wieder. Die leeren Räume waren gefüllt, das exquisite Nichts von heute Mittag hatte Ausgang. Alles dampfte vor guter Gesellschaft. Scharf hoben sich die schwarzen Abendanzüge der Herren von den kahlen Wänden ab, auch die Damen hatten zu abgedunkelten Kostümen gegriffen. Gemessene Würde lag im Trend. Die Gespräche lebhaft, aber gedämpft. Vor der offenen Tür standen zwei Miniaturzedern, mit Trauerflor behängt, in den Töpfen steckten italienische Fähnchen. Süßliches Parfüm hing schwer in der Luft.
    »Wie ich mich freue, dass Sie gekommen sind!«
    Das hörte ich, während ich mein Rad abschloss. Ich erkannte die Stimme der grünäugigen Galeristin. An der Tür stehend, begrüßte sie Neuankömmlinge eigenhändig oder besser eigenmündig, denn für jeden hatte sie ein Küsschen links, Küsschen rechts übrig. Das war mal eine standesgemäße Begrüßung! Vielleicht gelang es mir, ihren Lippenstift ein bisschen zu verwischen.
    »Wie ich mich freue, dass Sie gekommen sind!«
    Ich nahm hinter einem ergrauten Pärchen Aufstellung, das von Frau Urban begrüßt, beküsst und ins Innere der Galerie gebeten wurde. Neben ihr stand wie angeschraubt Petazzis Leibwächter Luigi, steif und ausdruckslos, ein Teil des Inventars. Nerius’ Gattin trug einen ärmellosen Rollkragenpullover in Anthrazit und eine helle, eng anliegende Hose. Bewundernswert, wie sie ihr Begrüßungslächeln zwischen Freude und Trauer perfekt austarierte, dem Anlass haargenau angemessen. Als ihr Blick auf mich fiel, verwehte das Lächeln in die Abenddämmerung.
    »Wie Sie sich freuen, dass ich gekommen bin«, grinste ich. »Das wollten Sie doch gerade sagen, nicht wahr?«
    »Ja, vielleicht«, erwiderte sie kalt. »Vor allem würde es mich freuen, wenn Sie meine Gäste nicht belästigen würden. Das hier ist eine Trauerfeier.«
    »So möchte man wohl öfter trauern, Frau Urban.«
    »Der Wein ist umsonst. Trinken Sie, so viel Sie wollen. Aber benehmen Sie sich bitte, verstanden?«
    »Oh, ich weiß, was ich unserem Mäzen und Arbeitgeber schuldig bin. Genau wie Sie.«
    Sie biss die Zähne zusammen. Ich ließ sie stehen, nickte Petazzis Bodyguard zu und betrat die Galerie. Es dauerte keine drei Sekunden, da ging es hinter mir schon wieder los: »Wie ich mich freue, dass Sie gekommen sind!«
    Ein junges Ding im kleinen Schwarzen hielt mir ein Tablett mit Weißweingläsern unter die Nase.
    »Bitte sehr, der Herr!«, krähte sie.
    »Meinen Sie mich? Danke, ich nehme trotzdem eins.«
    »Bitte sehr.« Sie war höchstens 18. Bei der nächsten Begegnung würde ich sie duzen.
    Am Wein nippend, schaute ich mich um. Das kalte Licht kleiner Spots spielte auf der Besucherschar. Lackschuhe glänzten, Ohrringe blinkten, Manschettenknöpfe blitzten auf. Die Abendsonne über der See hätte es nicht schöner

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