Altstadtfest
Schimpfworte. Weil ich einen Frascati nach dem anderen in mich hineinschüttete, konnte ich irgendwann in derselben Sprache zurückschimpfen. Doch ich ließ es bleiben. Lieber darauf achten, dass der Wein an der richtigen Stelle landete und nicht im Gesicht oder auf der Hose. Es war übrigens Gretas Vater, der nach Usedoms Attentat herbeigerufen wurde, um Erste Hilfe zu leisten. Als er das unverletzte Opfer sah, zog er kopfschüttelnd wieder ab. Er war wirklich ein extremer Langweiler. Seine Tochter nutzte die Gunst der Stunde und bandelte mit dem Ollen aus Buxtehude an, was dessen Frau nicht bemerkte, weil sie mit der Dürren über die Flugbahn des Weines und den Fluchtweg des Dichters diskutierte. Überall wurde getuschelt und geraunt, nur Botschafter Gollhoven gab sich mit gesträubten Augenbrauen zufrieden. Der Rotarier stand schweigend in einer Ecke und schnappte ab und zu nach Luft. Von Covet keine Spur; er verriet mir später, dass er sich mit bekleckerter Hose nicht mehr unter die Gäste gewagt und aus dem Staub gemacht hatte.
Wolfgang Nerius gelang es schließlich, die Wogen zu glätten. Er redete den Skandal zum Skandälchen herunter, faltete selbiges in aller Freundlichkeit zusammen und entsorgte es in einem Papierkorb. Bitte, meine Damen, meine Herren, schenken Sie dem kleinen Vorfall keine Beachtung. Tiramisù ließ er in Riesenmengen auffahren und die Musiker noch ein Stück spielen. Mit Erfolg. Als er auf den Hof trat, waren wir unter uns: seine Frau, Petazzi, die beiden Leibwächter und ich.
Trotzdem wurde es laut.
»Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht«, schrie mich Petazzis Gorilla an, »diesen Menschen als Ihren Assistenten auszugeben?«
Der Vizegorilla, der sich zum Zeitpunkt des Anschlags im Innenhof aufgehalten hatte, schrie auch etwas. Sein »maledetto, birbante« hallte eindrucksvoll von den Hauswänden wider.
»Ich habe ihn nicht als meinen Assistenten ausgegeben«, antwortete ich. »Das hat er selbst getan.«
»Aber ich fragte Sie doch noch!«
»Ja, und ich dachte, es handle sich um einen meiner Bekannten.«
»Einen Ihrer Bekannten?« Der Gorilla drehte die Dezibelzahl unbarmherzig nach oben. »Und? War das vielleicht einer Ihrer Bekannten?«
»Nein, war es nicht. Aber ich hielt ihn für harmlos. Und ich wollte herausfinden, wozu er gekommen war. Deshalb habe ich mit ihm gesprochen.«
»Harmlos!«, brüllte der Kleiderschrank, dass seine Türen schepperten. »Harmlos! Er hätte Signor Petazzi ermorden können!«
»Mit einem Glas Weißwein?«, fragte ich unschuldig.
Im nächsten Moment schwebte ich eine Handbreit über der Erde. Zwischen meinem Gesicht und dem des schäumenden Leibwächters befand sich dagegen keine Handbreit mehr, und ich sah, wie seine Augen zu großen roten Murmeln mit einem schwarzen Punkt darin wurden.
»Eine äußerliche Behandlung mit Weißwein ist nicht tödlich«, sagte ich so ruhig wie möglich.
Irgendwo hoch oben wurde quietschend ein Fenster geöffnet. Die Nachbarschaft lugte in den Hof. Eine Katze miaute. Und das Knirschen, das die Dunkelheit erfüllte, musste von den Backenzähnen meines Widersachers stammen.
»Ich glaube, das reicht jetzt«, ließ sich eine kühle Stimme vernehmen. Renate Urban trat neben uns und legte eine Hand auf die Schulter meines Gegenübers. »Danke, Luigi, Sie und Daniele haben Ihre Arbeit sehr gut gemacht. Mit der Aktion eines Verrückten war nicht zu rechnen. Niemand kann Ihnen etwas vorwerfen.«
Der Leibwächter öffnete seine Fäuste. Ich bekam festen Boden unter die Füße, strauchelte, fiel aber nicht. Demnächst musste ich unbedingt mit einer Testosteronkur beginnen.
»Ich wollte ihn rausschmeißen«, schnaubte Luigi. »Aber der da meinte, es sei alles in Ordnung.«
»Keine Sorge, Sie haben sich korrekt verhalten. Für die Situation ist allein Herr Koller verantwortlich. Er wird Ihnen sicher verraten, um wen es sich bei diesem Mann handelte.«
»Also, wie heißt er?«, schnauzte mich der Gorilla an.
»Peter Müller«, sagte ich achselzuckend. »Klang nach einem erfundenen Namen. Er behauptete, ein Bekannter Beatrices zu sein.«
»Und was wollte er hier?«
»Mich dazu bewegen, meine Recherchen einzustellen.«
»Warum das?«
»Er sagte, Beatrice habe ihren Vater gehasst. Dass nun in seinem Namen und mit seinem Geld nach ihren Mördern gefahndet werde, sei nicht in ihrem Sinne.«
Das saß. Luigi riss die Augen auf, das Ehepaar Nerius wechselte bestürzte Blicke.
»Ich sollte das so weitergeben«,
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