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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Großneffen zu, wie er sich beim Versuch, eine Weinflasche zu öffnen, ständig mit dem Korkenzieher in die Hand stach. Greta, schimpfend wie ein Rohrspatz, wurde von ihrem Vater zum Ausgang gezogen, was dem Exdiplomaten Gollhoven ein empörtes Räuspern entlockte.
    Endlich stand sie neben mir, die Frau mit den grünen Augen und der albernen Pagenfrisur. Sie sah erschöpft aus. Ihre Wimperntusche begann schon zu bröckeln. In der Hand hielt sie eine brennende Zigarette.
    »Danke«, sagte ich.
    »Wofür?«
    »Dass Sie Luigi gebremst haben. Lange hätte ich mich nicht mehr beherrschen können. Und Petazzi wäre vielleicht böse geworden, wenn ich ihm seinen Orang-Utan als Puzzle zurückgegeben hätte.«
    Renate Urban verzog keinen Gesichtsmuskel, aber sie lachte mit den Augen. In Petazzis Kleiderschrank passte ein Hemd wie ich zweimal hinein. Und dann wäre immer noch Platz gewesen.
    »Luigi hat Angst um seinen Job«, sagte sie. »Zu Recht, Petazzi duldet keinen Fehler. Schon gar nicht von Menschen, die ständig um ihn herum sind. Ein Privatdetektiv ist ihm egal, aber Luigi und Daniele werden es zu spüren bekommen.«
    Auch das war eine lustige Vorstellung: dass ein gehbehinderter Alter seine beiden Hausriesen abwatschte.
    »Die Macht des Geldes«, sagte ich. »Es ist immer das Gleiche.«
    Sie nahm einen tiefen Zug und blies mir den Rauch voll ins Gesicht. »Vielen Dank, Herr Koller. Ich weiß genau, worauf Sie anspielen. Sie denken, die Urban profitiert von Petazzis Geld mindestens so sehr wie ein Luigi oder Daniele. Sie denken, die Urban lässt sich das alles hier bezahlen: die Galerie, den Empfang, die Publicity. Sie denken, die schläft mit Petazzi als Dank für seine Großzügigkeit.«
    Ich grinste. »Denke ich das?«
    »Natürlich. Alle denken das. Sie erst recht.«
    »Ja, vielleicht. Nach Ihrem Auftritt vorhin denke ich aber auch, dass Sie keine Angst vor Petazzi haben. Anders als seine beiden Riesenbabys.«
    Sie schwieg und sah an mir vorbei. Bedächtig nahm sie einen Zug.
    »Oder sehe ich das falsch?«
    »Warum fragen Sie mich nicht einfach, ob ich mit ihm schlafe?«
    »Gut, frage ich.«
    »Nein«, sagte sie schlicht. »Ich bin doch nicht verrückt.«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Und Angst, da haben Sie recht, Angst vor Petazzi habe ich tatsächlich nicht. Auch wenn zu dem Auftritt im Hof kein Mut gehörte. Früher, als ich Petazzi kennenlernte, da hatte ich Angst vor ihm. Weil ich merkte, wie viel Angst Wolfgang hatte. Vor dem Politiker, dem Unternehmer, dem Mäzen. Ich konnte mich davon lösen. Mir ist meine Galerie wichtig, aber nicht so wichtig, dass ich alles dafür in Kauf nähme. Auch wenn Sie mir das nicht glauben: Ich könnte jederzeit auf den Kram hier verzichten. Mit Petazzis Unterstützung fällt vieles leichter. Aber es ginge auch ohne. Ich habe schon oft darüber nachgedacht.«
    »Und Ihr Mann?«
    »Wolfgang?« Kurz, fast unmerklich verzog sie den Mund. »Schwierig. Sehr schwierig.«
    Irgendjemand kam, schüttelte ihr die Hand, verabschiedete sich wortreich. Mich ignorierte er. Ich ignorierte ihn.
    »Tja«, sagte Renate Urban, Asche auf den Boden stippend, »man macht sich so seine Gedanken. Sind Sie verheiratet, Herr Koller?«
    »Nicht mehr. Getrennt.«
    »Und? Wie lebt es sich?«
    »Ganz gut«, sagte ich und versuchte, jeden Gedanken an Christine zu vermeiden. »Die meiste Zeit wenigstens.«
    »Tja«, murmelte sie wieder. »Wenn der Kleine nicht wäre …«
    Die Zigarette war zu Ende. Wolfgang Nerius wurde auf uns aufmerksam und kam uns winkend entgegen. Ich hatte keine Lust auf einen weiteren Wortwechsel mit ihm, verabschiedete mich und ging. An der Tür drückte mir Luigi eine Quittung in die Hand. Ich unterschrieb und war im nächsten Moment 50.000 Euro mehr wert. Woher die Italiener so fix das Geld hatten, wollte ich gar nicht wissen.
    Mein Rad stand ein paar Meter neben dem Eingang, davor saß die Bedienung im kleinen Schwarzen. Schnarchend. Als ich sie am Arm packte, schlug sie die Augen auf und stöhnte: »Mir isso schlecht.«
    »Ach nee.«
    »Doch. Ich will ins Bett.«
    »Wo wohnst du denn?«
    »Bergheimer Straße.«
    »Soll ich dir ein Taxi rufen?«
    »Das kotz ich voll. Fahr du mich heim.«
    »Mit dem Fahrrad? Du weißt, was ein Fahrrad ist, ja?«
    Sie nickte. Seufzend hievte ich sie auf den Gepäckträger, von dem sie sofort runterfiel. Ich nahm sie in den Arm, stieg auf und setzte sie vor mich auf die Stange, Gesicht zu mir.
    »Halt dich fest. Wenns nicht klappt, ruf ich einen

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