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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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ermittlungstaktischen Gründen … Richtig, die Zeugenaussagen werden noch ausgewertet. Eines lässt sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt mit Sicherheit behaupten: Das Opfer war zweifelsfrei männlichen Geschlechts. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
    Auch von mir stand in dem Artikel kein Wort. Nur dass einer der Bootspassagiere in den Neckar gesprungen sei, um den Ticketverkäufer zu retten. Recht so. Über meinen Namen konnte schließlich eine Verbindung zum Anschlag vom Uniplatz hergestellt werden. Kommissar Fischer musste es diebische Freude bereitet haben, die beiden Pressefuzzis abblitzen zu lassen.
    Bevor ich den Rest der Zeitung las, machte ich mir einen Kaffee. Es gab jede Menge zu tun an diesem Tag, und ich hatte zu nichts Lust.
    Am dringendsten war ein Anruf bei meinem Auftraggeber. Ich schlich eine Weile durch die Wohnung und beging Alibihandlungen, bevor ich Nerius’ Nummer wählte. Renate Urban meldete sich. Ihr Mann sei in aller Frühe mit Signor Petazzi nach Berlin geflogen, um erst in der Nacht zurückzukommen.
    »Macht nichts«, sagte ich. »Vielleicht ist es ganz gut, noch einen Tag zu warten. Richten Sie ihm aus, dass der Fall aus meiner Sicht geklärt ist. Alles Weitere berichte ich Petazzi morgen selbst.«
    »Mit seiner Tochter hatte der Anschlag nichts zu tun, richtig?«
    »Richtig.«
    »Er wird es irgendwann akzeptieren. Ansonsten alles in Ordnung bei Ihnen? Sie klingen etwas bedrückt, wenn ich das sagen darf.«
    »Liebeskummer.«
    »Oh!« Sie lachte verlegen, dann wünschte sie mir gute Besserung und legte auf.
    Wieso glaubte sie mir nicht? Hatte ein Privatflic kein Anrecht auf Liebeskummer? Alles auf dieser Welt war ungerecht verteilt, das Geld, die Arbeit, der Kummer, die Freude.
    Die Anhänglichkeit übrigens auch. Als eben der Kaffee auf meine Verdauung durchschlug, läutete das Telefon. Ich ging dran, und das war ein Fehler.
    »Robert Usedom. Wollte mal hören, ob gestern alles glattging nach Ihrem plötzlichen Aufbruch.«
    »Ja.«
    »Hatte der Anruf etwas mit Ihren Ermittlungen zu tun?«
    »Ja.«
    »Und? Waren es diese Neonazis?«
    »Das wird wohl morgen in der Zeitung stehen.«
    »Ach so, natürlich. Was geht mich die Geschichte auch an. Ich hatte ja nichts mit den Opfern zu tun. Hatte praktisch keine Beziehung zu einer gewissen Beatrice Petazzi.«
    Jammerlappen, fuhr es mir durch den Kopf. Typisch Schriftsteller! Laut sagte ich: »Ich bin kein Auskunftsbüro, Herr Usedom. Habe mich sogar verpflichtet, den Mund zu halten, bis die Täter gefasst sind. Außerdem muss ich aufs Klo. Das liegt am Kaffee, und den habe ich getrunken, weil die Nacht kurz und der gestrige Tag anstrengend war. Jetzt wollen Sie natürlich wissen, warum er so anstrengend war. Nun, das könnte an meinem gestrigen Bad im Fluss liegen. Das hat es sogar schon heute in die Neckar-Nachrichten geschafft.«
    Pause. »Meinen Sie die Schießerei am Neckar? Bei der dieser Drogendealer umkam?«
    »Drogendealer, genau. Vielleicht auch Informationsdealer. Neudeutsch für Hochverräter. Für Aussteiger aus der Neonaziszene.«
    »Und da waren Sie dabei?«
    »Es wäre eine nette Szene für Ihr nächstes Buch. Vielleicht ein bisschen zu viel Action, nichts für schwache Nerven. Aber ich kenne einige, die so etwas gerne lesen.«
    Er schwieg.
    »Ich weiß schon«, sagte ich. »Ihnen liegen solche Revolverszenen nicht. Sie waren mal fast militant, jetzt predigen Sie Versöhnung. In Ihren Büchern wird diskutiert und nicht geschossen, interessante Menschen machen sich interessante Gedanken und wälzen schwere Probleme. Da geht es um Zukunftsentwürfe und den Dialog verwundeter Seelen, um das Recht und die Pflicht des Einzelnen, alle paar Seiten hebt der strenge Papa Gesellschaft seinen Zeigefinger, Wörter wie Verantwortung und Rechenschaft hängen gerahmt an der Wand. Dauernd gibt es Zitate und Anspielungen und Hommagen an Ihre literarischen Vorbilder, jeder zweite Satz ist unverständlich und damit eine Aufforderung ans Feuilleton, die Interpretationsmaschinerie anzuwerfen. Schwere Kost, schön schwer. Da passt so eine schmutzige Hinrichtung unter Ariern nicht hinein. Stimmts?«
    »Was ist denn mit Ihnen los?«
    »Ich habe fünf oder sechs Aspirin geschluckt. Die Acetylsalicylsäure verätzt meine Synapsen, da rede ich immer dummes Zeug.«
    »Haben Sie eines meiner Bücher gelesen?«
    »Nö.«
    »Hätte mich auch gewundert. Gegen Revolverszenen habe ich nichts, Herr Koller, solange sie zum Konzept gehören. Und in die Schublade der

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