Altstadtrebellen
wenigstens jeden Tag!«
»Ja, wer redt denn jetzt vom Waschen!«
»Das gehört auch dazu.«
»Aber davon redt doch kein Mensch.«
»Ja, weil es was mit Hygiene zu tun hat, aber von Hygiene spricht man nicht, das macht man … und du sprichst nicht davon und machst es nicht, verstehst du!«
»Das ist überhaupt nicht wahr, du weißt genau, ich hab mir gestern die Zehennägel geschnitten.«
»Aber in der Wirtschaft, so was macht man daheim.«
Von hinten schaltet sich wieder Hannover-Fred ein: »Entschuldigen Sie, Herr Simmermann, aber da muss ich mich auf die Seite von Herrn Walter stellen, also davon hab ich nichts gesehen!«
»Da konntest du auch nichts sehen, Fredl, weil er seine Nägel verdeckt rauszwickt hat, außerdem musst du nicht alles sehen!«
»Du weißt genau, die Lucie hat den schönen Nagelzwicker, dafür trinke ich ihr Bier, so was nennt man eine Symbiose.«
»Des is keine Symbiose, des ist unappetitlich, Walter.«
»Eheehh, Simmermann, ich versteh dich nicht, sag mal, hast du einmal Charles Laughton gesehen als Quasimodo? Hast du einmal…«
»Jetzt hör doch mal auf, Chosy, mit deinen blöden Filmen.«
»Lass mich ausreden, o.k.? Hast du einmal gesehen, dass sich der bucklige Glöckner in dem Film wäscht?«
Walter geht dazwischen: »Das ist jetzt, glaub ich, wirklich ein Schmarrn, Chosy, weil, das ist ein alter Schwarzweißfilm, und wir reden doch jetzt…«
»Lass mich ausreden, o.k., lass mich ausreden. Ihr habt es nicht gesehen, ihr habt es nicht gesehen, dass er sich wäscht. Und? Wirkt er deshalb unsympathisch?«
»Entschuldigen Sie, Herr Chosy«, meint Fred, »aber da muss ich was dazu sagen, da muss ich mich einmischen, schauen Sie, Sie reden von einem Film, nicht wahr, das ist ein Film, verstehen Sie, was ich meine, ja, aber das Leben…«, er hebt seine Stimme pathetisch, »…das Leben, die Realität spielt nun einmal auf einer anderen Klaviatur, wenn ich das sagen darf. Schauen Sie, im realen Leben, wenn Sie an einem Buckligen vorbeigehen, das dauert vier, fünf Sekunden, nicht wahr. In dem Film hat man aber zwei Stunden Zeit, sich an den Krüppel zu gewöhnen, nicht wahr, hahaha, war spaßhaft gemeint, wie gesagt, nichts gegen Krüppel.«
»Was heißt zwei Stunden Zeit, der Walter kennt mich seit zwanzig Jahren, so wie der sich an mich gewöhnt hat, hätte er mir schon längst einen Heiratsantrag machen müssen.«
»Jetzt hör halt einmal auf, ich bin nicht schwul, immer wieder kommst du mir mit diesem Schmarrn daher.«
»Eheehh, Walter, das war ein Scherz.«
»Nein, des war kein Scherz, weil er das immer behauptet, bloß weil ich keine Frau hab, heißt das noch lang nicht, dass ich schwul bin.«
»Was bist du denn dann?«
Walter wendet sich für einen kleinen Moment ab und überlegt, ob und was er darauf antworten soll. Schließlich ringt er sich zu diesem Geständnis durch: »Abstinent. Ich hab doch gesagt, ich bin christlich veranlagt, der Herr und ich, wir genügen uns. Ich war sogar schon mal im VCF, im »Verein Christlicher Friseure«, wenn dir das was sagt!«
»Entschuldigen Sie«, mischt sich Hannover-Fred ein, »die Sache von vorhin, ich glaube, das haben Sie ein bisschen missverstanden, ich wollte das vielleicht … ich, ich, ich zäum mal den Zaun von der anderen Seite auf, schauen Sie, wenn Sie an einem Krüppel oder an einem Penner vorbeigehen, wenn Sie den lieb gewinnen wollen wie Quasimodo, dann glaube ich, bleibt es nicht bei zwei Stunden, das ist die Krux, verstehen Sie, das kann mächtig in die Hose gehen, dann schon lieber reich und schön, oder was meinen Sie?«
»Du, pass mir auf, Fredl, was du sagst«, meint Walter, »die Mutter Teresa hat sich nur um Arme gekümmert!«
Darauf Simmermann: »Ja, die arrogante Kuh, die Reichen waren ihr Wurscht…«
Walter ist ärgerlich: »Jetzt reicht’s aber wirklich, Simmermann.«
Darauf Chosy: »Eheeh, Walter er hat einen Joke gemacht.«
Walter, noch mehr erregt: »Ah, joke, joke, joke, du mit deinen englischen Dreckswörtern, was heißt denn das wieder?«
Chosy erklärt: »Ein Scherz, ein Spaß.«
Walter schimpft wie ein Rohrspatz: »Das ist doch kein Scherz, man macht doch keine Scherze über die Mutter Teresa, das ist doch zynisch!«
Fred weiß es besser: »Entschuldigen Sie, äh, Herr Walter, aber zynisch finde ich übertrieben, hier würde das Wort sarkastisch
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