Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Giebel
Vom Netzwerk:
sich beruhigend nach vorne: »Walter!«
     
    Doch der wendet sich, die Arme verschränkend, unversöhnlich ab. Allgemeines Schweigen. Simmermann lehnt sich schuldbewusst, aber auch stolz zurück: »Chosy, sag halt auch was!«
     
    Ruckartig verfällt Chosy in seine Robert-De-Niro-Position, aber mehr als ein Gestöhne kann er sich selbst nicht entlocken: »Eeheeehh…«
     
    Simmermann startet einen neuen Versuch: »Walter, hast du Lust, dass wir uns ein bisschen unterhalten?«
     
    Walter dreht sich neugierig zurück: »Ein Gespräch, oder was?«
     
    »Ja, genau, du weißt doch, wie in unseren guten Zeiten! Drei Menschen, drei Hirne, und ab geht’s, ha!« Er klopft Walter aufmunternd auf die linke Schulter. »Weißt du«, fährt er fort, »ich hab mir gedacht, wir suchen uns irgendein Thema, so was wie Politik, und darüber reden wir dann!«
     
    Wie auf Knopfdruck normalisiert sich Walters Gesichtsfarbe wieder. Ohne Verzögerung steigt er auf Simmermanns Angebot ein: »Ah ja, das gefällt mir. Also, ich glaube, dass eine große Koalition …«
     
    Simmermann unterbricht ihn wieder: »Nein, das war nur ein Beispiel, Walter, Politik war nur ein Beispiel. Ich habe mir gedacht, irgendein Thema! «
     
    »Ja, was denn … Musik?«
     
    »Ja genau, so was.«
     
    »Autoreifen?«
     
    Simmermann meint nach einem Moment des Nachdenkens: »Riesenthema, Walter.«
     
    »Sport?«
     
    »He, jetzt drehst du aber auf!«
     
    »Ja, gell!« Walter freut sich. »Ich glaube ja, dass die Schwierigkeiten beim FC Bayern darin liegen …«
     
    Simmermann unterbricht erneut: »Nein, das war nur ein Beispiel, Walter. Eines von vielen. Ich habe mir gedacht, wir reden vielleicht mal über …«
     
    »Jetzt hab ich wieder eine Idee …«, gibt sich Walter euphorisch, »… ich könnte ja was von mir erzählen!«
     
    Simmermann prustet laut lachend los und wird deutlich: »Nein! Weißt du, Walter, ein Thema, in dem es nicht nur um dich geht und nicht nur um die anderen. Sondern um uns, verstehst du, ein Thema, bei dem es nur um uns geht!«
     

Die Welt im Hinterhof
     
    Mit einem Mal hebt Simmermann seinen Kopf und schaut gebannt nach draußen. Sein Blick verändert sich: »Da schaut’s mal aus dem Fenster. Kennt ihr den, der da aus dem Wohnmobil aussteigt? Das ist mein Bruder. Jetzt kommt der tatsächlich!«
     
    »Ist das der mit dem grünen Jackett?«, wirft Walter ein. Das Jackett war nicht grün, sondern anthrazitfarben, aber Walter war schon immer farbenblind. Gemeint hat er dennoch den Richtigen.
     
    Die Tür geht auf, und herein kommt Simmermanns älterer Bruder. Zackig und doch geschmeidig tritt er in den Raum: »Ja, hallo!«
     
    Ein unsicheres Lächeln begleitet seine leicht heisere, aber dennoch kräftige Stimme. Lucie kommt lächelnd aus der Küche und meint, während sie ihre Hände abtrocknet, in ihrem verführerisch trockenen Ton: »Hallo. Was zu trinken?«
     
    »Aha, Sie müssen Lucie sein, Kompliment, mein Bruder hat nicht übertrieben. Die schönste Wirtin zwischen Windischeschenbach und Helsinki, hat er zu mir immer gesagt, und ich kann das nur bestätigen!«
     
    Lucie erkennt seinen modrigen Charme, nimmt das Kompliment dennoch gerne an: »Danke.«
     
    »Aber nichts zu trinken für mich, danke, muss auch gleich wieder weg, wollte nur mal ganz kurz hier …«
     
    Er blickt sich um und entdeckt seinen Bruder: »Da isser ja, Mensch, Paul!«
     
    Er geht zu ihm, die beiden begrüßen sich überraschend förmlich mit Handschlag. Simmermann setzt sich wieder, sein Bruder geht zurück in die Mitte des Raumes. »Mensch, Paul, alte Schildkröte. Ich hab doch gesagt, ich komm vorbei, und jetzt bin ich hier.« Er blickt sich wieder um: »Und Sie sind die Stammgäste, was? Sagen Sie einfach Max zu mir. Ich bin der Bruder von Paul. Er hat mir ja viel von Ihnen erzählt. Also, nicht mir, aber meinem Anrufbeantworter. Das ist ja auch schon was wert, nicht wahr, Hauptsache, ich habe ihn abgehört. Gar nicht so leicht, euch hier zu finden. Gestern war ich noch bei der alten Adresse. Ist jetzt ein Stehjapaner. Haben Sie das gewusst?«
     
    Da keiner weiß, was er darauf sagen soll, schweigen alle. Max blickt nach oben: »Schöne Decke. Barock oder so. Schon oft übertüncht. Muss man abtragen. Dafür gibt es Geld von der Gemeinde, steht wahrscheinlich unter Denkmalschutz, da kenn ich mich aus. Sehr schön!«, wiederholt er sich, selbstverliebt in seine Worte: »Klein, aber fein. Erinnert mich so ein bisschen an unsere Wohnung,

Weitere Kostenlose Bücher