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Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Giebel
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Husten übergeht, überkommt ihn: »Hoho, der Gerhard schaut ja im Normalfall schon so fertig aus!
     
    Wenn der Gerhard den Sozialfuzzi gesehen hätte, der hätte ihn sofort nach Ägypten auf Tauchkurs mitgenommen! Und ich habe mir gedacht, gut, es ist mein Fasching, ich mach ein bisschen was Ausgefallenes, eine Kombination als schwuler Behinderter. Weißt schon, richtig tuntig, aber im Rollstuhl. Super angekommen, ha, Franz?« Und dabei gibt er dem Franz einen Rempler, dass dieser Mühe hat, ohne Ausfallschritt stehen zu bleiben. Das Lachen verklingt. Felix Zachmeiers Miene verdüstert sich: »Bis sie gekommen ist, die Rothaarige. Diese Hanna. Kommt die da rein, so um elf …« Da fragt Franz: »War die auch verkleidet?«
     
    »Ja freilich war die verkleidet«, mault Felix unwirsch zurück, »das war es doch. Und als was geht sie? Geht als ich, das ist doch das Letzte. An meinem Fasching. Das ist für mich eine brutale Themaverfehlung, oder? Kommt da rein mit einem T-Shirt, auf dem steht: ›Harley forever‹. Ein riesiges Goldketterl um den Hals, Kaugummi kauend, und macht blöde Sprüche. Die Sprüche habe ich auch noch alle gekannt!«
     
    Daraufhin hebt er ruckartig seine Hand: »Unter normalen Umständen hätte ich ihr eine solche Watschn gegeben, aber das ging ja nicht, ich war ja im Rollstuhl! Franz, das war doch ein Klischee, was diese Frau da aufgezogen hat. Das war doch oberflächlich. Franz, du kennst mich, wenn man in mich tief hineinschaut, bin ich im Grunde genommen ganz anders. Und jetzt fahren wir zum Wertstoffhof, servus.«
     

Gespräche mit der Madonna
     
    Ach ja, der Wertstoffhof, früher kurz Sperrmüll genannt, war auch einer meiner Lieblingsplätze. Ein feiner quirliger Ort, an dem sich alle möglichen und unmöglichen Leute mehr oder weniger freiwillig treffen. Mit diesem wunderbaren Sperrmüllleiter Alois Schacherl. Jetzt befindet sich da ein Trimm-dich-Pfad. Das hat die Gemeindeverwaltung durchgesetzt. Kennen und lieben gelernt habe ich diesen Sperrmüll vor ein paar Jahren durch oftmalige Besuche mit Herbert im Waldfriedhof. Da besuchte er seinen verstorbenen Vater und wollte, dass ich ihn begleite. Am Grab selbst wollte er aber dann doch alleine sein. Also setzte ich mich auf eine Bank. Und ich musste mir eingestehen, ich genoss die Ruhe. Nur einmal wurde diese Ruhe gestört, von einem Grabpfleger namens Brandstetter, einem schlaksigen dürren Typ, Mitte fünfzig, mit einer sehr schlechten Körperhaltung. Sein weniges zerfuseltes Haupthaar hätte eindeutig mehr Pflege verdient. Mich sah er nicht, da er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. Er unterhielt sich auch mit sich selbst, aber auch mit den in der Nähe stehenden Grabsteinen, vorausgesetzt, auf dem Grabstein war eine Madonna herausgemeißelt. Als ich ihn sah, schlurfte er auf ein Holzwägelchen zu, in dem sich sein Gartenwerkzeug und verschiedene Pflanzen und Blumen befanden. Mit einer sehr hohen Stimme begann er zu reden: »Sooo, wo habe ich denn mein Wagerl?«
     
    Er nahm es und zog es langsam hinter sich her. Vor einem offenen Grab blieb er stehen: »Dann schauen wir mal, was wir heute alles haben!« Daraufhin nahm er seinen Merkblock heraus und ging die Arbeiten durch, die ihn erwarteten, indem er immer abwechselnd auf den Inhalt seines Wägelchens und in seinen Block sah: »Das sind die Knollenbegonien, die kommen da rüber, zum Josef Karbacher, dann die Dahlien und der Buchs, das müsste gleich da vorn sein, neben der Gruft, Angelika Harnmieder …«, er kichert verschmitzt in sich hinein, »… Harnmieder! Dann haben wir noch die Pelargonien, das müsste gleich da sein.« Damit deutet er auf ein Grab neben sich: »Ja genau, Gottlieb Mederl, 1945 - 1968.« Er denkt einen Moment nach, der ist aber nicht alt geworden. Wird schon was gewesen sein. Irgendwas ist immer! In diesem Moment klatscht er sich an die Stirn, vermutlich wegen der vermeintlichen Fliege. Sein Blick fällt auf seine Hand: »War nix. Die Braunelle, die ist aber für den alten Teil, da laufe ich heute nicht mehr rüber. Das wäre es dann schon für heute. Da wird sich meine Mama aber freuen, wenn ich früher heimkomme. Sülze wollte sie heute machen. Vielleicht gibt es noch einmal das Suppenfleisch von gestern, das war schon recht gut.«
     
    Dann blickt er auf, sieht in die Weite des Friedhofs: »Nichts mehr los am Friedhof, keine Leute mehr. Jetzt haben wir extra den neuen Teil hier!« Und er beginnt, die Madonna auf einem Grabstein

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