Altstadtrebellen
noch zum Apotheker, lässt du dir von ihm was geben. Und da muss ich sagen, das war wieder gut, weil der Apotheker meint es immer gut mit mir. Er fragt mich oft ganz besorgt, ob ich nicht auch einmal mit einer Frau, oder so!« In dem Moment lacht er ganz verschämt in sich hinein: »Hab ich zu ihm gesagt, ja was soll ich denn noch alles machen. Bei meinem Zeug daheim, das dürfte ja nicht irgendeine sein, die müsste sich ja auf mich einstellen. Außerdem meine Mama im ersten Stock, mit ihren Kanarienvögeln, dann musst du sie wieder sauber machen … die Vögel, nicht die Mama, die kann ja scho noch laufen, aber trotzdem, ich hab ja bei mir daheim …« Da reißt er seinen Kopf hoch und sieht, wie ein kleiner Junge in das Blumenabfallgehege steigen will: »Ist da doch schon wieder einer am Abfallgitter, gehst du aus dem Papierkorb raus da, ha? Mein Lieber, verboten!« Seine Stimme beruhigt sich wieder, er schlurft langsam auf den Jungen zu: »Da komm einmal her zu mir, ja du, komm einmal her! Was ist denn mit dir, hm? Magst du Blumen gern? Und Pflanzen, hm? Magst du Pflanzen auch gern? Wie schaut’s denn aus mit Tieren, hm, magst du Tiere auch gern? Ja, siehst du, wenn du einmal Zeit hast, dann kommst einmal mit zu mir …!«
In diesem Moment tritt eine junge Frau dazu, augenscheinlich die Mutter. Brandstetter schreckt ein bisschen hoch, ist aber gleich wieder gefasst: »Ah, da ist ja auch schon die Mama. Grüß Gott, ich habe ihm nur gesagt, dass er aufpassen muss bei diesen Drahtabfallkörben, dass da nicht was weg steht, und er sich ritzt. So Buben haben doch so eine zarte Haut!«
Die Mutter nimmt ihren Kleinen an der Hand und meint im Abgehen noch beiläufig: »Ja, danke!« Brandstetter überfreundlich: »Ja, gell, bitte schön, wiederschaun!« Eine Weile blickt er noch intensiv hinterher: »Schöner Bub. Schade, dass ich mein Heftl heut nicht hab.«
Gebannt in seinen Gedanken geht er langsam ein paar Schritte rückwärts in Richtung offenes Grab. Kurz davor stoppt er und beginnt zu schwanken. »Jessas«, sagt er leicht atemlos, »jetzt wäre ich bald noch ins Loch reingefallen. Warum ist denn das noch nicht zu?« Er holt wieder seinen Block heraus und prüft nach: »Wann ist denn die Beerdigung? Morgen. Mechthild Bretzinger. Gibt’s wieder Arbeit. Irgendwas ist immer. Bieseln müsste ich auch schon wieder. Da lauf ich jetzt nicht bis in den alten Teil.« Er sieht wieder in die Weite des Friedhofs: »Ist eh nichts los!« Daraufhin dreht er sich zum offenen Grab und öffnet seine Hose.
Auseinandersetzungen beim Sperrmüll
In diesem Moment steht ein Mann mit einem alten Tirolerhut auf der anderen Seite des Friedhofzaunes. Es ist der Sperrmüllleiter Alois Schacherl. Laut erhebt er seine kräftige Stimme: »Ja, der Brandstetter, schau ihn dir an, die alte Sau brunzt schon wieder ins offene Grab rein, was?«
Brandstetter antwortet unwirsch: »Ja, halt doch du dein Maul, Schacherl, bei dir da drüben stinkt es doch auch schon wieder so säuerlich, ich möchte nicht wissen, was für ein Giftmüll bei dir schon wieder ausgeschüttet worden ist.«
Schacherl kontert sofort: »Bei mir ist gar nichts ausgeschüttet worden. Wenn hier irgendwas säuerlich stinkt, dann bist du es selber oder eine von deinen Leichen. Merk dir das, gell?« Schacherl will sich wieder vom Zaun lösen und zu seiner Arbeit gehen, aber es fällt ihm noch etwas ein und so dreht er sich noch einmal um: »He, Brandstetter, was ist denn mit deiner Anakonda, wann macht denn die ihre Frühlingshäutung? Was da übrig bleibt, das gibst du mir, das brauche ich für meine Blatschenka.«
Lachend geht er an einem alten kleinen Wohnwagen vorbei, vor dem Blatschenka sitzt, eine nicht unattraktive vierzigjährige Russin, die gerade dabei ist, ein Kreuzworträtsel zu lösen. Schacherl stellt sich lächelnd vor sie hin: »Gell, Blatschenka«, hier spricht er ein bemühtes Hochdeutsch, »du hast heute Geburtstag, da kriegst du von mir etwas Schönes. Vielleicht einen Schlangengürtel.«
Blatschenka antwortet in ihrem gebrochenen Deutsch: »Ach weisd duu, Alois, du brauchst mir nichts zu schenken, ich mag dich auch so!«
Schacherl geht noch einen Schritt auf sie zu, beugt sich hinab und meint mit sanfter Stimme: »Doch, du kriegst schon noch was von mir. Vielleicht einen neuen Stuhl, der ist ja schon ganz wackelig. Auf jeden Fall alles Gute zum Geburtstag!«
Er richtet sich wieder auf und ruft quer über den
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