Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Giebel
Vom Netzwerk:
anzusprechen: »Alles neuer Teil. Da drüben die Wiese, alles neuer Teil, die ganze Wiese, da siehst du gar nicht, dass es ein Friedhof ist, alles Wiese. Da kommen sie immer, die Viertklässler nach der Schule, um Ball zu spielen.«
     
    Seine hohe Stimme wird jetzt auch noch laut: »Mein Lieber, da wenn ich nicht da wäre, mein Lieber.« Er hebt seine linke Hand und fuchtelt mit dem Zeigefinger durch die Luft. Man könnte fast meinen, er übt das Schimpfen für den Ernstfall: »Geht’s ihr von der Wiese runter, ha? Verboten!«
     
    Vertraut wendet er sich an seine Madonna: »Manchmal geht so ein Bub auch zum Abfallgitter, dann will er die alten Blumen rausholen. Verboten!« Und wieder schwingt er seine Hand mit dem erhobenen Zeigefinger: »Mein Lieber, gehst du aus dem Papierkorb raus. Verboten!« Er gluckst vor Aufregung, seltsame Geräusche entfleuchen seiner Kehle, und beruhigend sagt er zu sich. »Ich mag die Buben ja eh.«
     
    Nun blickt er wieder auf sein zu bearbeitendes Grab: »Der Gottlieb Mederl, mit seinen Pelargonien. Nichts mehr los am Friedhof. Keine Leute mehr. Immer älter werden sie, sterben mögen sie auch nicht mehr, wahrscheinlich gehen sie zu einem anderen Friedhof, es gefällt ihnen hier wohl nicht mehr. Da sollten sie sich von der Friedhofsverwaltung halt einmal etwas einfallen lassen. Ein bisschen Werbung machen. Ohne Werbung geht doch heute nichts mehr. ›Bei uns werden Sie chlorfrei gebleicht‹ oder so was. Ihr solltet den Brandstetter fragen, ich wüsste schon, wie es geht. Jetzt schau ma noch einmal nei in mei Wagerl. Wo hab ich denn mein Heftl heut? Hab ich mein Heftl heut vergessen?« Wieder spricht er zur Madonna: »Ich hab immer ein Heftl dabei, für meine Pause. Ich lese ja normalerweise nichts. Also, gar nichts. Aber dieses Heftl, das war mal eine Sonderbeilage von der Süddeutschen Zeitung. Von vor sechs Jahren, eine Sonderbeilage von einer Jenny Holzner. Nur Bilder. Nur Haut. Und alles so nah. Ich hab ja erst gemeint, es ist ein Preisrätsel. Ich hab denen sogar was hingeschickt und erklärt, was zu was gehört! Ist aber nichts zurückgekommen. Wahrscheinlich hat ein anderer gewonnen. Aber das Heft, das schau ich mir in der Pause gern an. Der Schacherl drüben vom Sperrmüll hat gesagt, ich wäre ein Depp. Ich würde dieses Heft nicht verstehen. Das ist doch mir Wurscht, hab ich gesagt, irgendwas ist immer. Ich hab auch Probleme, oder?«
     
    Die Madonna sah ihm nach wie vor voller Güte in die Augen.
     

Die Schlange vor dem Kühlschrank
     
    »Letzte Woche erst schmeißt meine Putzfrau, der Trampel, das Terrarium mit meinen Vogelspinnen in den Wäschekorb. Das Terrarium ist ganz geblieben, aber die Wäsche hat sie nicht mehr gemacht. Wie kann ich wissen, dass Kroatinnen vor so was Angst haben?
     
    Zum Glück ist bei mir daheim alles weiß gefliest, der Boden, die Wände bis obenhin, die ganze Wohnung, alles, dadurch habe ich bis Mittag die zwei Weibchen wieder gehabt, aber das Männchen ist bis heute nicht aufgetaucht. Wahrscheinlich haben es die Weibchen aufgefressen. Das ist ja ihre Natur. Dabei sind diese Tiere viel handsamer, als man sich vorstellt. Eine ausgewogene Ernährung ist halt wichtig und keinen Teppich auslegen! Weil man sie dann nie erwischt. Da macht der Perser mit mir kein Geschäft.«
     
    Triumphierend lächelnd über seinen großartigen Witz schiebt er ein Eukalyptusbonbon in seinen Mund und erzählt seiner stummen Heiligen weiter: »Durch die Aufregung habe ich dann noch Hunger gekriegt. Aber weil ich vor einer Zeit die Rattenkäfige umgestellt habe, war nirgends im Keller meine Heckenschere zu finden. Und deshalb bin ich kaum mehr zu meinem Kühlschrank gekommen, wegen meiner Sumpfpflanze, meiner Metasequoia glyptostroboides. So schnell kannst du das gar nicht aussprechen, wie die wächst. Und der Kühlschrank war auch noch defekt, weil sich die Äste hinten mit den Aggregaten verfangen haben, verstehst du?«
     
    Die Madonna verzieht erhaben keine Miene: »Die ganze Kühlflüssigkeit gemischt mit dem aufgetauten Eiswasser am Boden, das ist doch nichts für meine Blixie. Meine Anakonda. Wegen der habe ich doch die Sumpfpflanze. So eine Schlange ist doch empfindlich.
     
    Irgendwann habe ich dann den Kühlschrank öffnen können, jetzt war aber die Blutwurscht vom Geruch her … auch nicht mehr so. Ich habe sie dann trotzdem gegessen. Das Zeug muss ja weg, sage ich immer. Danach war mir auch nicht mehr so … und so habe ich mir gedacht, gehst du halt

Weitere Kostenlose Bücher