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Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Giebel
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net ferdich.«
     
    Jetzt gerät Schacherl richtig in Rage: »Aber ich, ich bin mit dir schon lang fertig, ich sage dir auch gleich, was du jetzt machst, du setzt dich jetzt aufs Radl und radelst nach Fürth zurück, aber ganz schnell. Und vergiss deinen Sohn nicht, der hat hier am Sperrmüll nichts verloren. Für den habe ich keine Container übrig!«
     
    Sofort rennt die Mutter los: »Lothar, Lothar, ich hab doch gsacht, du sollst beim Baba bleim.« Sie irrt konfus auf dem Platz herum: »Wo isn mei Mann, Dieter, Dieter!«
     
    Schacherl: »Da wirst du noch ein bisschen warten müssen, der lernt gerade seinen Radetzkymarsch auf Russisch. So was zieht sich.«
     
    Fassungslos blickt die Mutter auf Schacherl, der ganz unschuldig tut: »Ja, da brauchst du mich nicht anschauen, ich kann nichts dafür. Du bist halt einmal nicht die Einzige auf der Welt, du mit deinen Knieschonern. Weißt du, was mich wundert? Dass ihr an euren Mountainbikes keine Stützräder dran habt.« Mit großer Lust äfft er sie nach: »›Wechen der Sicherhaiiid!‹ Für mich seid ihr nichts anderes als ein wandelnder Bausparvertrag, merk dir das!«
     
    Und schon brüllt er wieder Richtung Bauschutt: »Und ihr ladet jetzt euern Bauschutt ein, sonst könnt ihr euch gleich dazulegen!«
     
    Einer der beiden hebt kampfbereit seine Brust! Schacherl geht sofort in Stellung: »Ah, du magst dich mit mir anlegen, ha, ja da geh her, sind wir gleich beieinander, komm her, das haben wir gleich erledigt, mir zwei!« Beschwichtigend winkt der Arbeiter ab, Schacherl, inzwischen ein schnaubendes Ungetüm, bemerkt das und geht ein paar Schritte zurück: »Weil das hier meine Welt ist, und alles, was ich hier sage, wird gemacht, speziell in den letzten zwei Monaten. Jeder Satz von mir ist hier Gesetz, und wenn ich Lust habe, gilt das ab sofort bundesweit!«
     
    Während er sich mit solchen Sätzen langsam wieder beruhigt, verlassen alle Anwesenden eilig das Gelände, nur Heinrich bleibt da, weil er unbedingt die Blatschenka einmal singen hören möchte.
     
    Schacherl grummelt weiter: »Bauunternehmer, Immobilienmakler. Wenn es nach mir ginge, müsste jeder Makler, der mehr als drei Zimmer hat, mindestens fünf Obdachlose aufnehmen, verstehst du? Das wäre Gesetz, wenn es nach mir ginge.«
     
    Eine Weile ist es still. Schacherl öffnet eine Flasche Bier und philosophiert in die untergehende Sonne: »Fragst dich sowieso, für was das alles gut sein soll. Wenn du hin bist, fragt kein Mensch mehr danach, ob du das so oder so gemacht hast.«
     
     
    Inzwischen ist der Trimm-dich-Pfad längst errichtet, Blatschenka, die eigentlich Natascha heißt, wurde ausgewiesen, Leschek putzt irgendwo Videokabinen, Heinrich fand in Hamburg einen Posten als Briefträger in einer Bananenreiferei, Brandstetter, der Grabpfleger, starb an einer Lebensmittelvergiftung, die fränkische Kleinfamilie sucht vermutlich immer noch ihr Naherholungsgebiet, und Alois Schacherl, tja, der umarmt seit diesem wunderschönen Tag im Mai die Welt, täglich, überall, wo es einen Tresen gibt, in einer Kneipe, die schon morgens öffnet.
     

Mit Puschkin und Placebo am Viktualienmarkt
     
    Aber an diesem Tag, da ich ja einen Auftrag hatte, wollte ich ganz bewusst niemand treffen oder kennen lernen. Ich habe mir extra einen Stehtisch ausgesucht, an dem zwei Männer standen, die nicht miteinander redeten. Gutgläubig wie ich bin, habe ich mir gedacht, da stellst du dich dazwischen, drei, die sich nicht kennen, jeder für sich, das passt.
     
    Aber als ich mich dort hinstellte, fing der Kleinere von beiden sofort an zu reden: » Wenn du dir die Leute so anschaust, wie die sausen. Früher hat’s geheißen, die Revolution frisst ihre Kinder, heute ist es der Alltag!« Das sagte er in einer etwas gequälten Haltung, den Ellbogen auf dem Stehtisch aufgelegt, um damit seine geringe Körpergröße zu ignorieren, der aufgestützte Arm war damit fast höher als sein Kopf. Sein Gegenüber, ein hagerer älterer Herr, grauer Anzug, graues Haar, markantes Gesicht, erwiderte sofort: » Aber sie laufen hin. Das ist das eigentliche Phänomen. Sie laufen hin. Egal, mit welcher Fahne du winkst, sie laufen hin. Keine Reflexion. Alles Lemminge. Was meinen Sie dazu, mein junger Held?«
     
    Die Frage galt mir. So, jetzt hängst drin, habe ich mir gedacht, jetzt musst du was sagen. »Ja«, hüstelte ich, »diese Leute laufen einfach hin. Muss halt jeder was erledigen.«
     
    Daraufhin wieder der Kleine: »Ja, weil jeder

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