Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
haben wir’s! Das Problem Altwerden scheint damit zusammenzuhängen, dass das Leben in unserer Zeit zu einem permanenten Rennen geworden ist. Die Angst, überholt zu werden, treibt uns vorwärts, zwingt uns zu ständiger Höchstleistung, ganz
egal wo, im Beruf, im Sport, im Auto, wenn du eins hast, in der Liebe, wenn du noch kannst. Höchstleistungen, vor denen du zunehmend Angst bekommst, ob du das alles noch schaffen kannst.
Diese Angst beginnt dich zu lähmen, bewirkt Versagen. Die Angst, dein Kollege könnte besser sein als du, deine Sportkameraden rennen schneller, springen höher oder weiter, und deine Frau, oder Freundin, oder Lebensgefährtin, also einfach die bessere Hälfte, vor der du ohnehin Angst hast, hat neuerdings so was Merkwürdiges in den Augen, wenn sie sich nach einem wortlosen Fernsehabend mit einem hintergründigen »... na dann gute Nacht!« verabschiedet und dir demonstrativ den Rücken zukehrt.
Die ersten Anzeichen für deine nachlassende Strahlkraft. Diesem Problem wird auf vielfältige Weise begegnet, oft mit völlig unzulänglichen Mitteln. Zum Beispiel mit dem Versuch der Veränderung deiner Persönlichkeit. Du bist nun mal, wie du bist. Dich selbst umzudrehen wie einen alten Handschuh, macht aus dir keinen anderen Menschen, nein, eher einen bedauernswerten Clown. Auch grelle Farben in deinem Outfit sind kein passendes Mittel, schon gar keine rosaroten, bis zum Nabel offene Hemden, und breite Goldketten auf grauem Brusthaar sind nicht attraktiv, zeugen eher von Dummheit oder einfach schlechtem
Geschmack. Lange, bis auf die Schultern reichende oder zum Zopf gebundene, leicht angegraute Haare erwecken keineswegs den Eindruck jugendlicher Dynamik, eher den provozierender Ungepflegtheit.
Neulich begegnete ich in einem Hotel in Sydney ein paar Angehörigen der Uralt-Rockgruppe »AC/ DC«. Deren »Parteiabzeichen« schien eben diese Ungepflegtheit zu sein, mit der sie wohl signalisieren wollen: »Wir sind anders, wir sind besser, wir sind unangepasst, wir sind jung«!
Aber das Gegenteil ist der Fall: Sie haben sich angepasst. An vergangene Zeiten, an die sie sich verzweifelt klammern. Sie können schlicht und einfach nicht alt werden, oder besser gesagt, sie können nicht schlicht und einfach alt werden!
Oder schau dir eine dieser unerträglichen Fernseh-Volksmusiksendungen an, in denen dickwanstige Alt-Schnulzenträllerer in engen weißen Anzügen, mit arthritisch wackelnden Hüften, blödsinnige Texte zu einfachsten Melodien absondern, und das vor gemalter Alpenkulisse. Ich drehe ab, bevor mir schlecht wird.
Da wir gerade beim Fernsehen sind: Ich schreibe diese Zeilen an meinem 83. Geburtstag, was nicht
sonderlich erwähnenswert wäre, aber vor wenigen Tagen lief der erwähnte Film »Die Spätzünder«, eine Gemeinschaftsproduktion von ARD und ORF.
Die Geschichte ist einfach: Ein Altersheim wird rebellisch, die Alten lassen sich die Bevormundung nicht länger gefallen. Ein zu Pflegediensten verurteilter Musiker bringt wieder Leben in die Bude, zur Verzweiflung der Anstaltsleitung. Mit List und Tücke gründen die Alten eine Rockband und gewinnen einen Musikwettbewerb. Happy End!
Der Film schlug ein wie eine Bombe, brach alle Einschaltrekorde in der ARD. Die Geschichte war wohl ein Stich in ein Wespennest, muss den Nerv getroffen haben. Nicht nur die Alten waren über die Art der Darstellung ihrer Probleme begeistert, auch die Anzahl zustimmender junger Zuschauer war außergewöhnlich hoch.
Es scheint also doch ein Verständnis der Generationen füreinander zu geben.
Warum also die zunehmenden Grausamkeiten? Warum treten junge Burschen einen Mann tot, der Kindern helfen wollte?
Warum foltern dreizehnjährige Jungen eine alte Frau bis auf’s Blut?
Warum halten Väter ihre eigenen Töchter jahrelang als Geiseln, vergewaltigen und schwängern sie?
Warum missbrauchen Priester die ihnen in Klosterschulen anvertrauten Kinder?
Warum laufen junge Menschen Amok und töten wahllos, was ihnen vor die Flinte ihrer Väter kommt?
Warum quälen Bundeswehrausbilder die ihnen zur Ausbildung anvertrauten Rekruten?
Warum werfen Bundesbahnangestellte Kinder oder hilflose alte Menschen aus dem Zug und überlassen sie ihrem Schicksal?
Diese Fragen werden wegen zunehmender Aktualität heiß diskutiert. Die Meinungen driften ebenso drastisch auseinander, wie die Generationen es zu tun scheinen. Wo liegen die Ursachen für diese beängstigende Entwicklung in unserer Gesellschaft?
Sind
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