Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Genau zwölf Jahre dauerte es, bis das versprochene Tausendjährige »Dritte Reich« in Schutt und Asche lag, nachdem es unsagbares Leid über die Welt gebracht und sechzig Millionen Tote gefordert hatte.
Nein, es gibt keine Parallele zur Gegenwart. Weiß Gott nicht! Wir haben andere Sorgen. Aus uniformierten, politisch organisierten Schlägertrupps wurden vermummte Banden gewaltbereiter Jugendlicher, die Spaß an der Randale, Vergnügen an der Zerstörung haben. Die den Anschluss an unsere Leistungsgesellschaft verloren haben oder bewusst verweigern. Die die Sprache unserer Gesellschaft nicht mehr verstehen und die Lösung ihrer Probleme in zerstörerischer Gewalt suchen.
Aus den Auseinandersetzungen der Parteien der
Weimarer Republik, die die Machtübernahme durch den Nationalsozialismus vorbereiteten, sind die Auseinandersetzungen der Religionen geworden, die ihre Totalitätsansprüche durch Terrorismus durchzusetzen versuchen, den sie perverserweise »Heiliger Krieg« nennen.
Unsere Sorgen sind Atomwaffen in falschen Händen, der Streit um die Atomenergie, die weltweite Finanzkrise, der nicht enden wollende Nahostkonflikt, die Position der Bundesrepublik im internationalen Waffengeschäft, die Unverständlichkeit wuchernder Bürokratie, Steuerflüchtlinge, korrupte Manager, verantwortungslose Banker und, und, und...
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen...
Sind wir vielleicht alle überfordert und sehen den Wald vor Bäumen nicht mehr?
Vermögen wir die Geister, die wir riefen, nicht mehr zu bannen?
Sind unsere Politiker den Forderungen einer globalisierten Welt intellektuell gewachsen? Oder ist Anpassung an das Parteiprogramm wichtiger als das Wohl der Wähler? Regiert auch hier der Jugendwahn? Kommt jugendliche Dynamik unbesehen vor Erfahrung des Alters?
Ich glaube, dass eines der großen Probleme darin liegt, dass unsere sprachliche Verständigung versagt. Wir verstehen die eigene Sprache nicht mehr. Amts-und Juristendeutsch wird für Otto Normalverbraucher zunehmend unverständlich, die Computerfachsprache wird nur noch von Freaks verstanden, die Jungen verständigen sich in einem Vokabular, das alten Leuten unbekannt bleibt.
Als einziges Lebewesen verfügt der Mensch über die Sprache, um miteinander zu kommunizieren. In einem babylonischen Durcheinander von Fachsprachen aber droht jegliche Kommunikation unterzugehen. Als Mittel zur Verständigung scheint die Sprache immer unbrauchbarer zu werden
Statt qualitativ reden wir quantitativ, statt einfach und verständlich zu sagen, was uns freut, was uns ärgert, was uns Angst macht, ziehen wir vor zu quasseln, wir tauschen statt Gedanken lieber Worthülsen aus. Und wo es gar nicht mehr geht, behelfen wir uns mit Piktogrammen.
Bei einer Bundestagsdebatte kann einen nicht selten das schiere Grausen packen. Dieses schwarz-rotgoldene Gezänk ist nicht mehr des Volkes Stimme und wird vom Volk auch nicht mehr verstanden. Ich erinnere mich, wie einer der nationalsozialistischen Protagonisten im Reichstag das Parlament des deutschen
Volkes als »Quasselbude« bezeichnete. Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass unsere Parlamente in Bund und Ländern nicht sonderlich daran interessiert sind, den Respekt der Menschen vor der Institution zu bewahren, die doch ihre Interessen vertritt.
Gedanken eines Zeitzeugen, der drei deutsche Staatsformen erlebt hat und davon überzeugt ist, dass unsere Bundesrepublik Deutschland das Beste ist, was die neuere Geschichte unseres Volkes aufzuweisen hat? Oder Gedanken eines Bürgers, der Angst hat, dass sich Geschichte, entgegen verbreiteter Meinung, doch wiederholen kann?
Oder sind es nur Gedanken eines alten Mannes, Angehöriger einer Generation, die glaubt, alles besser zu wissen, und aus Langeweile gern an der Gegenwart herumnörgelt?
Altwerden ist nichts für Feiglinge
Am 30. Januar 2010 verlieh die Programmzeitschrift HÖRZU den sicher wertvollsten deutschen Medienpreis: Die Goldene Kamera. Für die Kategorie »Lebensleistung« hat sich die Jury für mich entschieden.
Im Vorfeld wurde meine Familie befragt, mit wem als Laudator man mir eine besondere Freude bereiten könne. Wunschkandidaten waren Christopher Lee oder Harry Belafonte. Mit beiden verbindet mich eine langjährige Freundschaft. Harry Belafonte schien allen schlicht und einfach zu hoch gegriffen: »Aber wir werden es versuchen!«
Harry war bei der ARD-Talkshow »Heut’ abend...« als internationaler Topstar mein erster
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