Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
es die Medien - ich weiß, wovon ich rede -, die in ihren Fernsehprogrammen immer öfter und immer brutaler die irrige Meinung provozieren, mit Gewalt seien Probleme jeglicher Art am einfachsten zu lösen?
Sind es Politiker, die trotz beklagter Finanznot in ihrer ungebrochenen Ausgabenfreudigkeit gern und immer öfter den Generationenkonflikt als Ausrede für ihre Unzulänglichkeit und unlauteren Wahlversprechen hernehmen?
Ist es der allgemeine Verlust an Respekt vor meist
nur noch angemaßter Autorität, oder bereits verzweifelte, wenn auch falsch verstandene Notwehr so vieler, die sich von der Gesellschaft, der Politik, der Familie, vom Leben betrogen fühlen?
Wo ist uns eigentlich das Verständnis füreinander abhandengekommen? Die ganz einfache Logik, dass nur Miteinander funktioniert, ständiges Gegeneinander aber ins Chaos führt. Was hat uns zur Neidgesellschaft gemacht? Ist es der olympische Gedanke: »Schneller, höher, weiter!«, der zum unlösbaren Drogenproblem führte?
Ist es das Wirtschaftswunderland Deutschland, dessen Fetisch »Ständiges Wachstum« nicht mehr so recht funktioniert?
Ist es einfach nur, dass wir alle jegliches Maß verloren haben, in unseren eigenen Ansprüchen gefangen und unbeweglich sind?
Müssen wir wieder lernen, dass kein Mensch Anspruch auf irgendetwas hat, wofür er nicht bereit ist, seinen eigenen Beitrag zu leisten?
Ich bin kein Politiker, nur einer von vielen alten Männern, die Zeit haben, sich Gedanken zu machen. Nicht mehr um die eigene Karriere, die ist gemacht, oder auch nicht. Aber um die Frage, ob unsere Gesellschaft wirklich so aus den Fugen geraten ist, wie man den Eindruck bekommt, wenn man nicht schon
total zurückgezogen vor dem Fernseher sitzt, mit der Einstellung: Das geht mich alles nichts mehr an! »Wir alten Männer sind gefährlich, weil wir keine Angst mehr vor der Zukunft haben!« Sagte Peter Ustinov. Das allein schon rechtfertigt seinen Adelstitel. Der Spruch geht aber noch weiter: »Wir können endlich sagen, was wir denken, wer will uns denn dafür bestrafen?«
Genau! Nur tun wir das auch? Sagen wir Alten, was wir denken, oder sind wir weiter bereit, um des lieben Friedens willen zu kuschen?
Wir haben das Leben noch nicht hinter uns. Wir haben ein Recht auf Ruhe, Frieden und Ordnung. Aber wie denn, wenn wir Gefahr laufen, krankenhausreif geschlagen oder totgetreten zu werden, wenn wir uns gegen Dinge wehren, die unserer Erziehung, unserer Lebenserfahrung und unserer Moral diametral entgegenstehen?
Moral! Ist das das Reizwort, an dem sich die Geister und die Generationen scheiden?
»Das hat es früher nicht gegeben!« Wenn ich diesen Satz höre, zucke ich zusammen. Meine Eltern haben ihn gebraucht, wenn ihnen etwas gegen den Strich ging, und deren Eltern vermutlich auch.
Also wann früher? Auf die Kaiserzeit kann sich der
Spruch wohl kaum beziehen, deren Zeugen haben das Zeitliche gesegnet. Der Erste Weltkrieg und die Zeit danach sind ebenfalls Geschichte.
Jetzt sind wir dran! Meine Generation erinnert sich jetzt an »die guten, alten Zeiten«. Das fällt nicht immer leicht.
Was hat es früher nicht gegeben? Meine Erfahrung geht eher dahin, dass es nichts gibt, was es noch nicht gegeben hat, außer in Wissenschaft und Technik. Mit dem Satz »Das hat es früher nicht gegeben« ist wohl eher gemeint: »Früher war alles besser!« Stimmt nicht! Früher war nur alles anders. Natürlich!
»Aber die Zeit bleibt nicht stehen«, auch nur ein sattsam bekannter Spruch, mit dem man eigentlich zu erkennen gibt, dass man mit der Zeit nicht Schritt halten kann.
Gibt es heute Parallelen zu früher? Arbeitslosigkeit und die daraus stärker spürbaren sozialen Spannungen?
Die deutliche Abkehr der Menschen in unserem Land von Politik und deren »Macher«? Der für alte Zeitzeugen unverständliche, stets stärker werdende Drall nach rechts?
Wie war das damals, zu der Zeit, als ich anfing auf meine Umwelt emotional zu reagieren? Das war
um 1933 herum, Ende des ersten Drittels des letzten Jahrhunderts. Machtergreifung, Fackelzüge, Fahnenschwenken, Parteitage, Marschkolonnen, und immer mehr Menschen, die nur allzu gern dem Schreihals aus Braunau am Inn glaubten, Millionen Arbeitslose von den Straßen zu holen, sie in Lohn und Brot zurückzuführen, ihnen die durch die Folgen des Ersten Weltkriegs verlorene Ehre zurückzugeben. Nur wenige erkannten, mit welchen Mitteln der »Ver-Führer« und seine Helfershelfer das verlockende Ziel erreichen wollten.
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