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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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Gast. Diese erste Begegnung war der Beginn einer Freundschaft, die bis heute gehalten hat.
    Plakate in München verkündeten den Auftritt des Weltstars im Circus Krone. Der Bayerische Rundfunk, als Produzent von »Heut’ abend...«, wollte den Auftritt des Stars in der neuen Talkshow publizistisch maximal vorbereiten und arrangierte ein Treffen zu einem Vorgespräch während einer der Proben im Zirkuszelt am Marsplatz.
    Schon vor dem Eingang war die berühmte, heisere Stimme des schwarzen Sängers zu hören. Ich glaube, es war der Song des Bananenverkäufers, oder sein damaliger Nr. 1-Hit: »Mathilda«. Zelt und Vorgelände waren hermetisch abgeriegelt, keiner sollte die Proben stören.
    Doppelt besetzte »Wach- und Schließleute« prüften den »Back-stage«-Ausweis eingehend. Ich durfte ins Allerheiligste. Der erste Eindruck im riesigen,
vollkommen leeren Zirkuszelt war überwältigend. Nur die Musiker, ein kleiner Back-up Chor, auf einer Rundbühne in der Manege. Davor der Mann, den ich treffen sollte. Harry Belafonte, fast zwei Meter groß, gertenschlank, mit geschlossenen Augen in sein Lied vertieft, als stelle er sich die zu erwartenden 2.000 Menschen vor, die er zum Konzert erwartet.
    Die Bewegungen sparsam. Kein Gehampele, kein Gezappele, und doch zwangen sie einen sofort und unwiderstehlich, den Rhythmus aufzunehmen. Gefangen von der Atmosphäre blieb ich im Mittelgang stehen. Jemand zog mich zur Seite. In Zeichensprache machte er mir unmissverständlich klar, dass ich ihm lautlos folgen solle.
    In der allerletzten Reihe, direkt unter dem Zeltdach, zeigte er auf eine Bank, wo ich mich bis auf Weiteres aufzuhalten und vor allem nicht zu rühren hätte. Was mir nicht schwerfiel. Die Art, wie Belafonte probte, war faszinierend. Kaum hörbar, wenigstens für mich da oben unterm Dach, gab er Anweisungen, an den Chor und die Musiker, bat um Wiederholung einiger Takte, und tat das offenbar mit Bemerkungen, die seine Leute zum Lachen brachten.
    Irgendwann ließ er seine Augen durch das weite Zirkusrund wandern - und entdeckte mich, ganz klein, da oben in der letzten Reihe.

    Er unterbrach die Probe, machte ein paar Schritte nach vorn, an den Manegenrand, schützte seine Augen gegen die gleißenden Spotlights, und dann hörte ich die weltbekannte, heisere Stimme, direkt an mich gerichtet: »Hey - what are you doing up there?« Was sollte ich tun? Sitzen bleiben und durch den menschenleeren Rundbau zurückbrüllen, wer ich bin und was ich vorhatte? Aufstehen und brüllen - oder versuchen, erst einmal näher an den schwarzen Gott da unten ranzukommen?
    Ich machte mich auf den Weg nach unten. Harry Belafonte und sein Ensemble warteten geduldig, bis ich endlich den langen Weg nach unten gefunden hatte und vor ihm stand. Freundlich lächelnd sah er mich an.
    »Excuse me, Sir«, sagte ich, »I am Blacky Fuchsberger, the host of the new talkshow with Bavarian Broadcast you have agreed to come to.«
    Es entging mir nicht, dass alle auf der Bühne, bei der Nennung meines Namens, Reaktion zeigten. Für einen Moment herrschte absolute Stille. Dann grinste Harry Belafonte: »Say that again. What was your name - was it Blacky?«
    »Yes Sir - Blacky is my nickname. Everybody calls me so!«
    Er sah mich abschätzend an, dann lachte er laut: »Allright, then I think we Blacks must stick together!«
    Allgemeines Gelächter, das Eis war gebrochen. Nach Beendigung der Probe unterhielten wir uns, wie ich mir das Gespräch in der Talkshow vorstellte. Er wollte wissen, welche Fragen ich ihm stellen und wie das mit der Übersetzung gemacht würde.
    »Weniger ein Interview«, sagte ich, »vielmehr ein Gespräch zwischen zwei Männern, die sich zum ersten Mal begegnen und prüfen, ob es eine gemeinsame Frequenz gibt.«
    Das schien ihm zu gefallen, nur einen Einwand hatte er.
    »Please do not ask me about racial conflicts - that would make it too complicated.«
    Ich versprach es.
    Der Tag der Show war gekommen, Harry Belafontes Auftritt entsprechend hochgeschaukelt. Er war heiter, charmant, keinerlei Starallüren, Szenenapplaus. Es lief wie am Schnürchen.
    Plötzlich machte er eine Pause, dachte angestrengt nach, wandte sich von mir ab und nahm das Publikum ins Visier. Mit leiser Stimme begann er zu sprechen. Begann eine Geschichte zu erzählen, die bei allen im Studio den Atem stocken ließ.
    Er gab einen minutiösen Bericht, wie er mit einem größeren Geldbetrag für eine Anti-Rassismus-Organisation mit dem Auto auf einem

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