Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
sind nur zu faul, es zu finden.
Überhaupt ein großes Thema: die Familie und das Fernsehprogramm! Da prallt aufeinander, was sich in einer Familie individuell durchzusetzen versucht. Oder ist es eher eine intellektuelle Auseinandersetzung? Was will Er, was will Sie, was wollen die Kinder, was will der Hund? Ich hab’s erlebt: »Unser Bello kann Volksmusik nicht leiden - da fängt er sofort an zu jaulen! Wir sehen aber den Musikantenstadl so gern!« Ich denke, dass Bello einen besseren Geschmack hat als Herrchen und Frauchen. Ansonsten halte ich es für durchaus möglich, dass die findige Industrie in absehbarer Zeit Schlafplätze mit Fernsehanschluss für die vierbeinigen Familienmitglieder auf den Markt bringen wird.
Der tägliche Blick in den Spiegel. Er ist halt unvermeidlich. Zwei untrügliche Beweisinstrumente unseres
menschlichen Verfalls sind Spiegel und Waage. Der Spiegel ist unbestechlich, zeigt dir die Wahrheit. Diese kann grausam sein. Die Waage ist psychisch einfacher zu verkraften. Zeigt sie, wie besorgniserregend dein Übergewicht ist, kannst du ja immer noch an der Stellschraube ein paar Kilo zurückdrehen.
Früher schien es auf ein paar Kilo mehr oder weniger nicht anzukommen, wenigstens waren sie nicht direkt lebensbedrohend. Das ändert sich unverhofft.
»Wir haben Sie jetzt so eingestellt«, sagte die rundliche Oberschwester im städtischen Klinikum bei der Verabschiedung, »dass Sie zwischen 84 Kilo untere und 86 Kilo obere Grenze am wenigsten Gefahr laufen, einen Schlaganfall zu bekommen.«
»Na wie schön!«
»Allerdings ist das schon ein Kompromiss an Ihren Beruf. Zweimal die Woche sollten Sie den Coagu-Bluttest machen! Der Blutgerinnungswert sollte am besten bei 2,4 INR liegen. Wenn Sie die Flüssigkeitszufuhr bei 1,5 Liter am Tag und in der Nacht halten können, müssten Sie mit 750 Milligramm Lasix auskommen.«
»Ich werd’s versuchen!«
»Notwendig ist auch die halbjährliche Kontrolle
des Herzschrittmachers! Das wär’s im Großen und Ganzen! Wenn irgendwas sein sollte, kommen Sie wieder zu uns.«
Eingestellt wäre ich also perfekt. Jetzt musste ich mich nur noch daran halten. Leichter gesagt als getan.
Der Blick in den Spiegel, am frühen Morgen, ist ein Dialog mit dir selbst. Lügen zwecklos. Was du siehst, ist »augenscheinlich« nicht dazu angetan, den vor dir liegenden Tag zu verschönern. Nach einem weiteren Beweis seniler Bettflucht, manchmal vor der Breitwandglotze, mit gleichermaßen anziehenden wie abstoßenden, stöhnend und quietschend dargereichten, jedenfalls nackten Verlockungen, siehst du sexuell ernüchtert der traurigen Wahrheit ins Gesicht. Grobe Poren, Falten um Mund und Nase, trockene Haut, Säcke unter den Augen. Die tieferen Regionen, dicke Beine, Ödeme, Krampfadern. Das ist das, was man der Umwelt noch zu bieten hat? Alles andere als erfreulich. Oder?
Eine elektrische oder schaumige Rasur, mit nachfolgend eingebranntem Duftwasser, hebt zwar etwas die Stimmung, hilft aber auf die Beschaffenheit des Allgemeinzustandes nur wenig. Was tun?
Man müsste schon mit Tomaten auf den Augen
durch die Landschaft gehen oder sie gänzlich vor der bitteren Wahrheit verschließen: Der Truthahnhals wackelt von Tag zu Tag tiefer in den offenen Hemdkragen. Geschlossen, mit Krawatte, wirkt das Ganze noch unansehnlicher. Der Bruch im etwas überhängenden Bauch auch.
Soll also einer der in Gazetten und Magazinen gepriesenen Schönheitschirurgen sein Skalpell schleifen und meinen diversen Gehängen zu Leibe rücken?
Mit mir nicht! Nein und dreimal nein! Ich habe da so einige »Beschnittene« vor meinem geistigen Auge, nein danke! Ich denke, wir sollten das lassen. Bis heute bleibe ich beharrlich bei meiner Weigerung, hinsichtlich meines äußeren Erscheinungsbildes irgendwelche kleineren oder größeren Korrekturen operativ anbringen oder etwas wegschneiden zu lassen. Und dabei bleibt’s! Wem irgendwas bei meinem Anblick nicht gefällt, bitte einfach wegschauen.
Zugegeben, Beerdigungen sind eigentlich alles andere als lustig. Altersbedingt verbringe ich zunehmende Teile meiner restlichen Lebenszeit auf Friedhöfen, um mich von mehr oder weniger geliebten Menschen beiderlei Geschlechts zu verabschieden. Und zwar für immer.
Bei solchen Gelegenheiten sehe ich mich um. In
der Gewissheit, dass jeder mal drankommt, mit zunehmendem Interesse. Der Abschied von einem Menschen oder auch einem Tier, es gibt da die tollsten Einfälle, ist und bleibt eine
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