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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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traurige Sache. Entsprechend hüllt man sich in Schwarz, bemüht sich um ein angemessen trauriges Gesicht, lässt den Körper gramgebeugt hängen, oder zumindest etwas einsinken, je nach Zugehörigkeit zum Verblichenen.
    Zunächst steht man schweigend in der Gegend herum, taxiert die anderen Trauergäste, deren Haltung und Aufmachung. Beim gegenseitigen Erkennen lächelt man sich verhalten zu. Dabei bewegt einen bereits die Frage, wo man sich einordnen soll. Vor allem in der Aussegnungskapelle. Bescheiden in den hinteren Reihen? Oder auf einem der reservierten Stühle vorne, in der Nähe des aufgebahrten Sarges?
    Später dann, auf dem Weg zur letzten Ruhestätte, zu der der ausgesegnete Leichnam gezogen, geschoben, getragen oder sonstwie transportiert wird, was demselben letzten Endes egal sein kann, kommt es darauf an, wie du dich gleich am Anfang positioniert hast. Entweder du zockelst in Gedanken an die nächsten Termine versunken abgeschlagen hinterher, oder du hast es verstanden, dich aus der Bankreihe relativ früh heraus- und in das Gefolge hineinzudrängen. Hinten geht man relativ normal, vorn hingegen
schreitet man. Der Unterschied wird bemerkt! Nicht vom Dahingegangenen, nehme ich an, aber recht kritisch von den trauernden Hinterbliebenen.
    Es sei noch bemerkt, dass Beerdigungen nach meiner langjährigen Erfahrung zu der Art von Veranstaltungen gehören, bei denen sich die Stimmung sehr schnell ändern kann. Von einem Extrem ins andere, vom Trauerspiel zur Groteske.
    Zu einer solchen Veranstaltung waren mein Freund und Nachbar, Rolf Wilhelm und ich, vor vielen Jahren eingeladen. Ein Nachbar hatte das Zeitliche gesegnet. Wir waren gebeten, ihm die letzte Ehre zu erweisen, und wollten das auch tun, mit dem gebotenen Respekt.
    Wir hatten uns nach der Aussegnung gut positioniert, waren im Trauergefolge weit vorn, mitten unter gramgebeugten Familienmitgliedern. Es regnete.
    »Grau wie der Himmel lag vor uns die Welt, zum Abschiednehmen just das rechte Wetter...«, im Zweifelsfall ein Zitat von Goethe oder Schiller.
    Unter schwarzen Regenschirmen verkürzten sich zwei Trauernde den langen Weg zur Grube durch Austausch von Meinungen und Erinnerungen über und an den Toten, da vorne in der Kiste.
    Und das in gepflegtem Bayerisch, eigenständige Sprache deutscher Abstammung, für solche Events vorzüglich eignet.

    »Meiomei, a bessers Wedder hätt’ er sich scho aussuche kenna. I glaab, der liegt jetzt da vorn in seiner Kisten un freit se narrisch, dass mir do a hoibe Stund im Dreck umanander hatschen müssen.«
    Zustimmendes Gemurmel, von den tief in die Stirn gezogenen Hutkrempen tropfte das Himmelsnass. Nur einer versuchte eine lahme Verteidigung.
    »Aber für’s Wedder kann er ja nix, da kann er mit all seinem Geld a nix mache!«
    Mein Freund Rolf und ich fingen an, uns zu amüsieren. Der Dialog hatte Ludwig Thoma’sche Qualitäten.
    Wenn auch die letzte Bemerkung im Konjunktiv richtiger gewesen wäre: Hätte mit all seinem Geld a nix mache kenna.
    »A Großkopfater is er gwesen, immer bloß mit Leit z’amm, die wo a Geld ham. Un nix hat er hergeben, a Geizkragen war er, oder hast du vielleicht scho amoil was kriegt von ihm?«
    »I...? Na, i net...!«
    Lange Pause.
    »I hob immer denkt, dass du was kriagt hast!«
    »I...?«
    Dieses lang gezogene »I«, unterstrichen von einem stummen Kopfschütteln, ist der typisch bayerische
Ausdruck höchsten Erstaunens, gepaart mit Empörung gegenüber einer derartigen Vermutung.
    »Geliehen hat er mir mal was, aber dafür hat er mir sauber Zinsen aufbrummt, akkurat so viel wie a richtige Bank. So g’schert is er scho, a richtiger Geizkragen is er!«
    »Is er g’wesen«, verbesserte der Gesprächspartner, »aber hast scho recht, auf seim Geld is er g’sessen wie a Henne beim Brüten!«
    Es folgten ein paar Verbalinjurien und es fiel uns immer schwerer, nicht lauthals loszulachen.
    Das Grab war auf einem kleinen Hügel ausgehoben, den es für die Redner zu erklimmen galt. Wie gesagt, es regnete nachhaltig, was den Anstieg auf den Hügel durch zunehmende Glätte erschwerte. Es entbehrte nicht einer gewissen Komik, wie die einzelnen Trauerredner die Schwierigkeit, das am Gipfel aufgestellte Mikrofon zu erreichen, auf individuelle Art zu meistern suchten. Wir mussten uns wirklich zusammennehmen. Aber dann kam eine Situation, die den Abschied des lieben Nachbarn zur Groteske werden ließen. Zu erwähnen wäre noch, dass der Verstorbene eine enge Beziehung zu seinem Hund

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