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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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ein, nickte und verließ die Bühne und den Saal, ohne die Anwesenden eines Blickes zu würdigen.
    Und dann erschallte laut und klar die Stimme des Mannes, den wir grade zu Grabe getragen hatten.
    »Liebe Freunde«, sagte die Stimme, in dem uns allen bekannten, hoch-rheinischen Dialekt, dessen er
sich ein Leben lang befleißigt hatte. »Liebe Freunde, jetzt habt ihr jrade die Suppe hinter euch - und noch leckere Sachen vor euch. Hoffentlich schmeckt euch der Wein, den ich ausjesucht habe. Leider kann ich nicht bei euch sein, weil ihr mich jrade einjegraben habt. Et is nich besonders gemütlich hier unten, aber da kann man nix machen. Ich wünsch noch alles Jute und juten Appetit.«
    Totenstille im Raum. Was für eine Idee. Was war das? Ironie? Sarkasmus? Zynismus? Vielleicht von allem ein bisschen.
    Einige applaudierten, einige lachten etwas verlegen, allgemein erholte sich die Gesellschaft nur langsam von diesem Schock.
    Ehrlich gesagt, ich war begeistert. Das muss einem erstmal einfallen. Vor dem Ableben eine Bandaufzeichnung für die eigene Beerdigung aufzunehmen. Dazu gehörte eine Menge Selbstbewusstsein, ein gerüttelt Maß an schwarzem Humor, und dazu gehören Ironie, Sarkasmus, ein Schuss Zynismus und eine gute Portion Mut, dem Tod die Schrecken zu nehmen. Mir egal, was man dir nachsagt: Post mortem - Hut ab Hans Herbert Blatzheim, du warst kein Feigling.

Dummheit verjährt nicht
    Andere Länder, andere Sitten. In den frühen Sechzigerjahren spielte ich eine Rolle in einem italienischen Film mit dem Titel: »Ascolta mi« - »Hör mir zu.«
    Eine haarsträubende Schnulze. Eine der wichtigsten Szenen spielte am Grab meiner früh verstorbenen Mutter. Mit mehr Einzelheiten aus dieser »Jugendsünde« will ich nicht langweilen. Nur, was am Grab geschah, war so grotesk, dass ich seitdem bei jeder Beerdigung daran denke und enttäuscht bin, wenn nichts Außergewöhnliches passiert.
    Es war auf einem uralten Bergfriedhof, in der Nähe von Neapel. Die Stimmung auf diesem Gottesacker verlangte ganz einfach Demut und Respekt.
    Das Motiv für unsere Filmszene war eingerichtet, wir waren fertig zum Drehen. In diesem Augenblick ertönte herzzerreißend falsche Musik einer Blaskapelle. Diese Kakofonie aus falschen Tönen wurde überboten von schrillen Schreien professioneller Klageweiber.
    Der Trauerzug versammelte sich um ein Grab, nicht weit von unserem Motiv entfernt. Die Pietät gebot die sofortige Einstellung unserer Dreharbeiten. Aber unser neapolitanischer Aufnahmeleiter war da
anderer Ansicht. Er wollte die Trauergesellschaft mit Geld dazu bringen, ihre Zeremonie zu verschieben, bis wir unsere Szene im Kasten hatten. Der Versuch scheiterte kläglich. Vermutlich hatte er nicht genug geboten. Die Zeremonie ging weiter, wir mussten warten.
    Die Klageweiber begannen einen seltsamen Tanz um das offene Grab und den darauf abgestellten Sarg. Dabei erzeugten sie mit ihren Zungen und Stimmbändern unglaubliche Triller in höchster Stimmlage. Es kam der Moment, da der Priester seinen Segen über alle sprach und Weihwasser über den Sarg sprenkelte. Das Zeichen, den Sarg an samtenen Bändern langsam und ohne Schieflage in die Tiefe zu senken. In diesem Moment kam Bewegung in die Trauergesellschaft. Vornehmlich die Männer fingen an zu drängeln, um dicht an den abwärts gleitenden Sarg heranzukommen. Sie schubsten sich gegenseitig, rempelten sich an den Rand der Grube und wurden dabei laut und handgreiflich.
    Plötzlich holte einer aus, verpasste einem Kontrahenten, der mit dem Rücken zur Grube stand, einen gekonnten Schwinger, was diesen rücklings in die Grube beförderte, wo er mit lautem Gepolter auf dem Sarg landete. Von dort unten ertönte ein markerschütternder Schrei. Starr vor Schreck erwarteten
wir die umgehende Vendetta des Geschlagenen für die erlittene Schmach.
    Prustend kletterte er aus der Grube, richtete sich zum Kampf zu voller Größe auf, entließ eine Art Lustschrei in die Luft und ging auf den Schläger los - umarmte, küsste ihn und deckte ihn unter dem Beifall aller Umstehenden mit einem unverständlichen Wortschwall zu.
    Unser Aufnahmeleiter erklärte: »Wenn der Sarg in das Grab gelegt wird, gehen im Moment, da er den Boden berührt, alle guten Eigenschaften und das Geld des Verstorbenen auf den über, der in diesem Augenblick am nächsten steht!«
    Der Kinnhaken hat dem Glücklichen dazu verholfen, dem Verstorbenen in diesem wichtigen Moment wirklich am nächsten zu sein. Direkt über ihm, nur

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