Alvion - Vorzeichen (German Edition)
natürlicherweise von sich gab. Offenbar war eine mehrtägige Ruhepause eingelegt worden, denn die Soldaten, die wir zu Gesicht bekamen, lungerten müßig herum und schenkten uns kaum Beachtung. Während man uns auf die Gebäude zutrieb, überlegte ich krampfhaft, warum man sich unserer angenommen hatte. Es konnte kein Zufall gewesen sein, denn dann hätte der Feind auf der gesamten Länge der riesigen Wälder aufpassen müssen, wir aber waren in einen gezielt gelegten Hinterhalt gelaufen, also hatten man genau gewusst, dass wir uns im Wald befanden und an welcher Stelle wir herauskommen würden. Aber warum? Diese Frage nagte an mir und ich wälzte sie immer und immer wieder, nur so war es mir möglich, die bohrende Verzweiflung zu unterdrücken. Mittlerweile trieb man uns auf der ungepflasterten Hauptstraße ins Zentrum des kleinen Dorfes, wo scheinbar das Ziel unserer Reise lag. Auf dem, was einmal der Marktplatz war, wurden unsere Bewacher schließlich von einem Offizier, einem Naraanier, etwa von meiner Statur, allerdings mit rötlichem Haar und einem von Narben und Falten durchfurchten Gesicht, empfangen. Er trug eine rote Uniform, wie es für Offiziere der meridianischen Armee offenbar üblich war. Das Waffenhemd, das seinen Oberkörper bekleidete, war von einem darunter getragenen Brustpanzer ausgebeult und vorne mit einem ovalen Wappen geschmückt. Die Grundfarbe des Wappens war weiß, in der Mitte prangte ein schwarzer Turm, der wohl die Feste Tar Naraan symbolisieren sollte. Die Skelette blieben vor ihm stehen und postierten sich stumm um uns herum. Der Naraanier nickte zufrieden und sagte dann mit herrischem Unterton zu einem von ihnen:
„ Schafft sie ins Gefängnis und bewacht sie!“
Sofort begannen die Skelette, uns mit gezogenen Schwertern eine bestimmte Richtung zu weisen, also wandte ich mich nach der angezeigten Richtung, um dem Befehl Folge zu leisten. Plötzlich fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter und drehte mich herum und blickte in das Gesicht des Naraaniers.
„ Du nicht!“, knurrte er mich an und lächelte dabei bösartig. „Absalom möchte dich sprechen!“
Da Widerstand nach wie vor völlig sinnlos war, fügte ich mich, wenn auch mit vor Wut geballten Fäusten, seiner Anordnung und wartete neben ihm, bis die Skelette die Soldaten weitergetrieben hatten. Immerhin bestand nun aber zumindest die Möglichkeit, dass ein paar meiner Fragen beantwortet wurden. Meine wenigen verbliebenen Soldaten schleppten sich mit hängenden Köpfen auf ein Gebäude zu, das bis zum Verlassen der Bewohner wohl als Lagerhaus gedient hatte. Es hatte nur ein großes, doppeltüriges Holzportal, das mit einem schweren Riegel gesichert werden konnte. Nacheinander gingen sie hinein, der ein oder andere erhielt auch noch auffordernde Stöße zwischen die Schultern, die ihn stolpern ließen. Bei diesem Anblick wurde ich noch wütender, als ich ohnehin schon war, doch ehe ich etwas sagen konnte, nahmen mich vier Skelette in ihre Mitte und auch ich erhielt einen heftigen Stoß in den Rücken, so dass ich mich nur noch äußerst mühsam beherrschen konnte. Vorweg stolzierte der Naraanier und drehte sich immer wieder mit seinem höhnischen Grinsen zu mir herum. Schließlich platzte meine unterdrückte Wut aus mir heraus und ich stieß drohend hervor:
„ Du solltest hoffen, Naraanier, dass wir uns nie alleine begegnen!“
Er offenbarte sich als Feigling, denn statt einer Antwort gab er einem meiner Wächter ein Zeichen, woraufhin ich einen so heftigen Schlag in den Rücken bekam, dass ich zu schnell vorwärts stolperte und auf allen Vieren landete. Das Nächste, was ich sah, war erneut das höhnische Grinsen, ehe er mir in die Seite trat. Ich spürte den Tritt kaum, sondern langte wutentbrannt nach meinem Schwert, doch nur ein Augenzwinkern später hielten mir zwei meiner Wächter bereits die Spitzen ihrer Schwerter vor das Gesicht, so dass ich in einer behutsamen Bewegung den Knauf meines Schwertes losließ und mich stattdessen wieder aufrappelte.
„ Du solltest beim Laufen achtgeben, denn du stellst dich reichlich ungeschickt an!“, fügte der Naraanier mit spöttischem Gelächter hinzu.
Diesmal gelang es mir, eine entsprechende Erwiderung herunter zu schlucken, doch ich versprach Ennos und auch seinem dunklen Bruder Nisistrus alles Mögliche, sofern sie mir nur irgendwann Gelegenheit gaben, mit diesem Feigling abzurechnen.
Man brachte mich zum größten Haus, das den kleinen Marktplatz des Dorfes säumte,
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