Alvion - Vorzeichen (German Edition)
kleinen Raum trat, den er sich mit zwei weiteren Männern während der nächsten Tage teilen sollte, stolperte er nur noch auf eines der vorbereiteten Strohlager am Boden zu und schlief bereits, ehe er sich vollständig niedergelegt hatte.
Wieder einmal stand ich gelangweilt im Schatten eines Turmes auf dem Wehrgang der Stadtmauer von Perlia und litt unter der mörderischen Mittagshitze. Müde blickte ich auf die Ebene vor der Stadt, und die in einiger Entfernung aufsteigende Kette sanft geschwungener, niedriger Hügel, die in die etwas höher gelegene Regionen Ostsoliens aufstiegen. Das Gras der Ebene und an den Hängen der Hügel hatte schon längst sein saftiges Grün verloren und war unter der seit Wochen unablässig sengenden Sonne gelb geworden. Nicht nur ich, sondern auch die wenigen anderen Soldaten, die überhaupt mit mir sprachen, konnten sich entsinnen, dass es in diesem Landesteil schon einmal eine so lange Hitzeperiode gegeben hätte.
Vor drei Wochen, als ich die Stadt erreicht hatte, war alles noch grün gewesen, doch seitdem hatte es keinen Tropfen mehr geregnet, stattdessen war es jeden Tag nahezu unerträglich heiß gewesen. Jetzt, um die Mittagszeit herum war es so heiß, dass die Luft in einiger Entfernung über dem Boden flimmerte. Trotzdem ich mich in den Schatten zurückgezogen hatte, war meine Kleidung von Schweiß durchtränkt, und obwohl ich am heutigen Tage noch nicht viel getan hatte, außer auf meinem Posten zu stehen, fühlte ich mich matt und erschöpft. Auch die anderen Soldaten der Mauerwache hatten sich an irgendeinen schattigen Ort zurückgezogen und dösten teilweise vor sich hin. Wie in den Tagen zuvor fiel es mir schwer, länger als einige Minuten konzentriert auf die Ebene zu blicken, da es dort einfach nichts zu sehen gab. Irgendwo dort draußen waren etliche Spähtrupps und einzelne Kundschafter unterwegs, die uns den Anmarsch feindlicher Truppen zeitig melden würden, daher verstand ich den Sinn der Mauerwache, die ich täglich abzuleisten hatte, nicht.
Nichts lag mir ferner, als dagegen aufzubegehren, denn obwohl der erste Monat des Krieges bereits unendlich fern in der Vergangenheit zu liegen schien, konnte ich mich genau an jene harten, entbehrungsreichen Wochen erinnern. Ich konnte mich an jedes Detail der Schlacht, der Flucht durch die Wälder, meiner Gefangenschaft und der weiteren Flucht genauestens erinnern, mit Ausnahme jener Nacht, in der der Kragier namens Geras seine Schuld bei mir beglichen hatte. Auf dem letzten Stück der Flucht, das ich alleine bewältigt hatte, war kaum etwas erwähnenswertes geschehen, außer, dass ich eines Nachts ein weiteres Heerlager des Feindes in weitem Abstand und äußerst vorsichtig umgangen hatte. In meinem ersten Versteck, einer kleinen, verfallenen und weit abseits gelegenen Hütte, hatte ich einen vollen Tag ruhen müssen, nachdem ich sie gegen Abend erreicht hatte. Erst nach dieser Ruhepause fühlte ich mich einigermaßen in der Lage, über einen längeren Zeitraum im Sattel zu verweilen, ohne dass mich die Kopfschmerzen um den Verstand brachten. Bis auf jenes Heerlager war ich aber auf nichts gestoßen, was mir hätte gefährlich werden können, einerseits, weil ich nur nachts ritt und andererseits, weil ich dank meiner Erfahrung genau wusste, wie ich mich verhalten musste, um unentdeckt zu bleiben. Dennoch war ich unendlich erleichtert, als ich schließlich eines Tages in der Morgendämmerung Perlia vor mir sah und es noch nicht im Belagerungszustand vorgefunden hatte. Die Stadt selbst war mir wie eh und je vorgekommen, schmucklos, bis auf wenige Häuser von reichen Händlern an den großen Straßen entlang und ein paar Gebäude der Verwaltung, die einst zum königlichen Palast gehört hatten. Der Rest der Stadt war allerdings so trist und eintönig wie eh und je, neu hinzugekommen war nur ein großes Lager der solischen Armee, direkt an der Ostmauer.
Die Soldaten des Spähtrupps, dem ich mich schließlich nahe der Stadt gezeigt hatte und später die Befehlshaber der städtischen Garnison und der dort versammelten Streitkräfte, sowie deren Stäbe, hatten mich allesamt zunächst mit unverhohlenem Misstrauen empfangen. Alle wussten nur zu gut um die Niederlage in den solischen Bergen, aber niemand hatte mehr mit Überlebenden gerechnet, vor allem nicht damit, dass einer davon Wochen später im hunderte von Meilen entfernten Perlia auftauchen würde. Dennoch hatte man mir eine reichhaltige Mahlzeit vorgesetzt und
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