Alvion - Vorzeichen (German Edition)
war es brütend heiß und die erschöpften und verletzten Krieger litten unter der sengenden Sonne. Ein prüfender Blick umher zeigte, dass viele der Krieger, die dem Feuer entkommen waren, den langen Weg bis Theban nicht schaffen würden. Sie waren dieser weiteren Strapaze einfach nicht mehr gewachsen. Das Schlimme für sie war, dass es im Kernland ihrer Heimat keine ausgedehnten Wälder mehr gab, die ihnen die Möglichkeit geboten hätten, sich zu verbergen und langsam wieder zu Kräften zu kommen, so dass sie, trotz ihres erbärmlichen Zustandes, gezwungen waren, im Sattel zu bleiben. Bereits auf den ersten Blick hatte Tian zu viele Gestalten gesehen, die wesentlich schlimmer dran waren, als er selbst und schon ihm bereitete es jetzt, nach nur wenigen Stunden, große Mühe, sich überhaupt im Sattel zu halten. Wie zur Bestätigung fuhr er sich mit dem Handrücken über sein verschwitztes Gesicht und zupfte sich sein ebenso schweißdurchtränktes Hemd zurecht, das unangenehm an seinem Körper klebte. Außerdem brannte der Schweiß wie Feuer in den Brandwunden an seinem Körper. Einen Augenblick lang war er versucht, die Hitze des Tors zu verfluchen, doch die Götter, die angeblich die Jahreszeiten über Velia lenkten, verrichteten ihre Aufgabe, wie sie es immer getan hatten. Der Sommer die Zeit des Ennos und den Göttervater verfluchte man besser nicht, auch wenn Tian sich sehnlichst den Winter herbeiwünschte, jene Zeit, wo Ennos’ Sohn Riefus seinem mächtigen Vater trotzte. Sogar die Zeit des Remus, der Herbst, hätte ihm gereicht, jene Zeit, wo Ennos’ ältester Freund vermittelnd zwischen Vater und Sohn stand, dann wäre es wenigstens allabendlich kühler geworden. All dies war wohl vermutlich Aberglaube, aber man legte alte Gewohnheiten nicht so leicht ab. So aber hielt der Sommer die Lande Septrions fest in seinem Griff, und obwohl Argion hoch oben im Norden lag, entfaltete er auch hier große Hitze und Trockenheit. Kurzzeitig dachte Tian an Ostsolien, tausende Meilen im Süden und fragte sich, unter welchen Bedingungen dort gerade gekämpft wurde. Trauer umklammerte sein Herz, als ihm schmerzlich bewusst wurde, was in den letzten Wochen über die Bewohner Septrions hereingebrochen war, doch sie verblasste ebenso schnell, wie sie gekommen war wieder unter dem Schleier der bleiernen Erschöpfung, die sich seiner bemächtigte, während ihre Kolonne sich Schritt um Schritt der Hauptstadt Theban näherte.
Am Abend des zehnten Tages ihrer Flucht, während der sich der Tors seinem Ende zugeneigt hatte, erblickte die Kolonne in der Ferne das berühmte, „Weiße Stadt“ genannte Theban. Im Westen berührte die Sonne gerade den Horizont und sandte die blutroten Strahlen der Abenddämmerung auf die Stadt nieder, und ließ sie wie hinter einem blutigen Schleier düster funkeln. Tian, der sich dem endgültigen Zusammenbruch nahe fühlte, hob müde seinen Kopf und sah das rötliche Leuchten wie eine düstere Prophezeiung der Dinge, die in den nächsten Tagen kommen würden. Während ihrer Reise über die von der Sonne verdorrten Wiesen und Felder war ihre Kolonne um die Hälfte geschrumpft, ganz so, wie Tian es geahnt hatte. Nach ihrer Flucht aus den Wäldern waren hunderte Krieger den Strapazen mit ihren Verbrennungen nicht mehr gewachsen gewesen, und einfach tot aus dem Sattel gefallen. Die meisten waren zumeist von frischen Truppen aus Theban, die ihnen entgegengeeilt waren, bestattet worden. Diese frischen Krieger sicherten auch ihren Rückzug, denn einem schnellen Reitervorstoß wären die erschöpften Flüchtlinge fast wehrlos gegenübergestanden. Mehrere hundert von ihnen hatten sich bereits am vierten Tag nicht mehr in der Lage gesehen, noch länger die hohe Geschwindigkeit ihrer Flucht zu ertragen und sich von ihnen getrennt. In der Hoffnung, dass die feindlichen Truppen direkt auf Theban vorstoßen würden, hatten sie sich nach Westen gewandt, um langsam in Richtung der Wälder zu Füßen der Gatorberge zu reiten. Wenn Luccis ihnen gewogen war, konnten sie diese unbehelligt erreichen und sich von den Strapazen erholen, bevor sie den Kampf wieder aufnehmen könnten. Schließlich wollte immer noch keiner von ihnen glauben, dass der Feind tatsächlich sämtliche Wälder Argions niederbrennen würde. Tian hoffte es, denn selbst wenn es dem Feind gelang, Theban zu erobern, würden noch Jahre vergehen, ehe ganz Argion durchkämmt und alle seine Bewohner unterworfen waren. Doch leise Zweifel sagten ihm, dass
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