Alvion - Vorzeichen (German Edition)
meridianischer Pfeil oder ein kleines Scharmützel würde die Unannehmlichkeit, die meine Person offenbar darstellte, beseitigen.
Da man mir nach wie vor misstraute, musste ich während der nächsten Tage – mein Gesuch war abgelehnt worden – weiterhin den langweiligen Wachdienst schieben. Über den geheimnisvollen Unbekannten, der mit dem Spähtrupp in die Stadt gekommen war, war nichts zu den einfachen Soldaten nach außen gedrungen. Erst als ich die Angelegenheit schon beinahe vergessen hatte, hörte ich einige Gerüchte über ihn, die sich nach ihrer Entstehung natürlich in Windeseile unter den Soldaten verbreitet hatten.
Abends hatte ich mich mit einem der wenigen Soldaten, der mir nicht misstraute, sondern mich respektvoll und freundlich behandelte, nach dem Ablauf meiner Wache in einer Schenke zusammengesetzt. Sein Name war Olk, ein ziemlich stämmiger Kerl mit einfachem Gemüt, ohne dabei dumm zu sein. Er war ein Stück größer als ich und sichtlich um einiges kräftiger, hatte kurz geschorenes blondes Haar und ein markantes, junges und sehr ehrliches Gesicht. Schon deshalb wirkte er nicht nur wie, sondern war ein durch und durch anständiger Kerl und dabei teilweise so rührend naiv, dass man ihn einfach mögen musste. Olk stammte aus einem Dorf im weiteren Umkreis von Perlia und war erst vor wenigen Wochen mehr oder weniger freiwillig zum Soldaten geworden. Obwohl er zu dieser Jahreszeit eigentlich auf dem Hof seiner Eltern arbeiten sollte, beschwerte er sich nicht, als man ihn zur Armee geholt und zum Soldaten ausgebildet hatte. Es war für ihn eine Selbstverständlichkeit, seine Heimat zu verteidigen. Jedenfalls saßen Olk und ich an diesem Abend in der Ecke einer kleinen Schenke namens ’Zerbrochener Krug’, an einem kleinen, alten Holztisch in der angenehm kühlen, allerdings düsteren Schankstube. Außer uns waren nur noch wenige andere Gäste dort, sodass wir zumindest nicht gegen den Lärm dutzender Gespräche anreden mussten, sondern uns normal unterhalten konnten. Draußen war es noch hell, doch da die Sonne bereits untergegangen war, fiel nur noch schwaches Licht durch die weit geöffneten Fenster. Die abklingende Hitze des Tages drängte in den Raum, doch mittlerweile war sie auf ein erträgliches Maß herabgesunken. Vor uns auf dem Tisch stand ein Krug mit Wein und zwei tönerne Becher, sowie eine ziemlich heruntergebrannte Kerze, die wir jedoch noch nicht entzündet hatten. Olk blickte sich kurz misstrauisch um, ehe er sich über den Tisch beugte und leise und verschwörerisch zu erzählen begann:
„ Ich habe etwas über den geheimnisvollen Unbekannten gehört, was dich auch interessieren dürfte, Alvion.“ Ich wunderte mich ein wenig, was diese Sache mit mir zu tun haben sollte, schon darum wollte ich mehr darüber wissen.
„ Lass hören, Olk! Was könnte mich an jenem Mann interessieren?“
„ Es heißt, er kommt aus Bilonia und nahm an der ersten Schlacht Teil.“
Zunächst war ich auf übliches Soldatengewäsch eingestellt gewesen, denn Olk tratschte gerne alles weiter, was er von den zahllosen Soldaten in der Stadt oder im Heereslager aufschnappte, doch was er gerade gesagt hatte, ließ mich sofort aufhorchen. Zufrieden registrierte Olk meine erwachende Neugier und sprach weiter.
„ Ich dachte mir schon, dass du dabei deine Ohren spitzen wirst, Alvion. Man sagt sich, dass der Spähtrupp ihm gerade noch das Leben retten konnte, als ihn eine Gruppe von Tepilen eben aufhängen wollte. Anscheinend hat man ihn vorher bereits übel zugerichtet.“
„ Hast du seinen Namen mitbekommen?“, platzte ich neugierig heraus.
„ Domas, Damos, oder so ähnlich“, erwiderte Olk nun zufrieden grinsend und selbst etwas neugierig.
„ Damas?“, rief ich laut und merkte, dass sich einige Köpfe in unsere Richtung drehten, also versuchte ich meine Aufregung zu zügeln, während ich innerlich bebend auf Olks Antwort wartete.
„ Ja, Damas hieß er!“, bestätigte er nach kurzem Überlegen.
In diesem Moment glaubte ich, zu einer steinernen Säule zu erstarren und ein eisiger Schauer lief mit über den Rücken, denn es war so gut wie unmöglich, dass Damas dem Verderben entkommen war. Er hatte hinter unserer Hauptkampfreihe gestanden, als der Feind durch den Berg brach und uns in den Rücken fiel. Während der Flucht hatte ich natürlich nicht darauf achten können, doch auch meine Gefährten waren sich mit mir einig gewesen, dass gerade dort niemand der entfesselten Wut der
Weitere Kostenlose Bücher