Alvion - Vorzeichen (German Edition)
er sich etwas vormachte, schließlich hatten die Meridianer ihre Skrupellosigkeit bereits deutlich unter Beweis gestellt. Es blieb nur die Hoffnung, dass ein paar tausend versprengte Soldaten und Flüchtlinge nicht für wert befunden wurden, sich ihretwegen solche Mühe zu machen, da die Eroberungen Meridias nach Argions Fall ja fortgesetzt werden und im Fall Vylaans gipfeln sollten. Noch einmal schöpfte Tian Kraft und heftete seine Augen auf die Türme der weißen Stadt, die immer höher und größer in den Himmel ragten, je näher sie an Theban herankamen. Darüber thronte jener gewaltige Felsen, auf dessen großem Plateau die Zinnen der mächtigen Zitadelle zu sehen waren. Noch waren sie zu weit entfernt um genauere Einzelheiten der Stadt zu erkennen, doch einige berühmte Bauwerke stachen bereits jetzt heraus, der mächtige Kuppelbau der Akademie, verschiedene schlanke Türme, die über die ganze Stadt verstreut waren, die gewaltigen Mauern der Stadt, die fast so mächtig waren wie jene von Vylaan, oder die riesigen Standbilder der alten Könige, die entlang der breiten, ins Zentrum führenden Hauptstraße Spalier standen. Trotz der unsichtbaren Bedrohung, die nahezu greifbar über der Stadt lag, strahlte sie immer noch wie ein kostbares, einzigartiges Juwel. Während sich ihre Kolonne nun immer näher an Theban heranschob, war es Tian nicht möglich, seine Augen von der Stadt zu nehmen. Die Hauptstadt Argions war ein Symbol für das ganze Volk der Argion, ein Sinnbild ihrer seit langer Zeit friedlichen Kultur, ein Zentrum des Wissens und ein Denkmal für alte Größe und Stärke, deren Schicksal genauso eng mit dem Volke Argion verbunden war, wie die grünen Wiesen, die riesigen Wälder und die gewaltigen Berge, die das Land beschützten.
Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden und die Nacht kündigte sich bereits an, als sie durch das gewaltige Südtor in die Stadt ritten. Das Klappern der Hufe auf der gepflasterten, breiten Hauptstraße, die ins Zentrum führte, hallte fast unheilvoll von den Wänden der zumeist zweistöckigen Häuser wider. Während sie weiter in die Stadt hineinritten, trafen sie nur wenige Argion auf den Straßen an, doch der Eindruck, den die abgerissenen Kämpfer auf diese Leute zu machen schien, war verheerend. Die meisten erstarrten und blickten sie mit einer Mischung aus Trauer und Verzweiflung an, einige begannen auch einfach zu weinen. Es dauerte nicht lange und die Hauptstraße war nun nicht mehr von Häuserreihen gesäumt, sondern lief durch großzügig angelegte Parkanlagen, während zur Rechten und zur Linken die gewaltigen Standbilder der alten Könige gen Himmel ragten. Tian wagte nicht, auch nur einmal nach oben zu schauen, denn er fühlte Scham, dass er in diesem abgerissenen Zustand und als Flüchtling in die Hauptstadt einzog, und glaubte die stummen Vorwürfe der ehemals mächtigen Herrscher zu hören. Stattdessen heftete er seinen Blick auf die Straße vor sich, nur einmal wandte er seinen Blick zur Seite, nämlich als sie an der berühmten Akademie vorbei ritten. Dort standen viele Männer mit Fackeln und leuchteten anderen, die dutzende Wagen mit davor gespannten Pferden vor der Akademie mit Büchern, Schriftrollen und sonstigen Dokumenten beluden. Das kulturelle Herz Argions, das Archiv der Akademie, wurde verladen und in Sicherheit gebracht, damit der reichhaltige Wissensschatz des Volkes nicht dem Feind in die Hände fiel.
Irgendwann bog die Kolonne schließlich von der großen Hauptstraße ab und drang tiefer in eines der Stadtviertel vor, wo sie sich dann auf einem kleinen Platz versammelten. Hinter ihnen lag die engere, von Häusern gesäumte Straße, durch die sie gekommen waren, links und rechts zweigten kleine Gassen ab. Der Platz selbst wurde auf drei Seiten von einem zweistöckigen, u-förmigen Gebäude umgeben. Den früheren Zweck des Gebäudes kannte Tian nicht, doch seit wenigen Tagen war es geräumt und würde nun ihre Unterkunft werden. Die Soldaten, die sie bis hierher begleitet hatten, begannen, die erschöpften Flüchtlinge in Gruppen aufzuteilen und in das Gebäude zu führen. Einige Tage konnten sie hier ausruhen, ihre Wunden versorgen und verheilen lassen. Mittlerweile fiel es Tian schon schwer, überhaupt noch wach zu bleiben, sodass er die Worte der anderen mehr wahrnahm, denn wirklich verstand. Mit letzter Kraft schleppte er sich schließlich in das Gebäude hinein zu den vorbereiteten Quartieren. Als er schließlich in jenen
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