Alvion - Vorzeichen (German Edition)
sich am nächsten Morgen das Tageslicht endgültig durchgesetzt hatte, kam langsam wieder Bewegung in die Reihen. Das Zentrum der Argion, dort wo die Fußkämpfer waren, hielt, doch die Flanken mussten immer weiter zurückweichen. An den äußeren Rändern hatten sich die Kämpfe während der Nacht immer weiter auseinandergezogen, sodass neben der Hauptschlacht noch viele Nebenschauplätze entstanden waren, wo kleinere Einheiten erbittert gegeneinander kämpften, teilweise bereits meilenweit von der Stadt entfernt. Im Zentrum der Kämpfe kamen Bogenschützen stark zum Tragen, da sie, hinter den Kampfreihen stehend oder im Sattel sitzend, einfach nur über die Köpfe der eigenen Kämpfer in die Reihen des Gegners schießen mussten. Auf einer gewaltigen Fläche, deren Boden sich durch Blut und Regen bereits in zähen Morast verwandelt hatte, lagen zigtausend Gefallene, von Schwertern oder Äxten zerhackt oder von Pfeilen durchbohrt und schlamm- und blutverschmiert.
Gegen Mittag musste schließlich auch das Zentrum immer weiter zurückweichen, zusätzlich dazu hatte das Toben der Elemente aufgehört. Die Wolken waren verschwunden und die Sonne brannte mit unbarmherziger Kraft auf das Schlachtfeld nieder. Schnell begann Dampf vom Boden aufzusteigen, sodass man kaum noch atmen konnte, außerdem war die Luft von einem schweren, durchdringenden Blutgeruch erfüllt. Die Magierschlacht war vorbei und hatte keinen Sieger gefunden, und auch die normale Feldschlacht neigte sich allmählich ihrem Ende zu. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann die immer weiter zurückweichenden Flanken überflügelt würden, oder wann der Feind irgendwo einen Durchbruch erzwingen konnte.
Dies geschah am späten Nachmittag. Die Lücken in den Reihen der Argion konnten durch die hohen Verluste nicht mehr geschlossen werden, schließlich waren die Kämpfe so nahe an die Stadt herangekommen, dass die dort postierten Wachtruppen anfingen, mit den Geschützen der Mauern und ihren Bögen für eine letzte Entlastung zu sorgen. Zudem hatten sich in den letzten Stunden die Flanken immer weiter aufgelöst und in immer zahlreichere kleine Gefechte zersplittert.
Ein lautes, lang anhaltendes Hornsignal ertönte schließlich und gab den noch übrig gebliebenen Argion den Befehl zum Rückzug in die Stadt. Für wenige Minuten setzte eine wilde Flucht in Richtung der vier Stadttore ein, während die Krieger auf den Zinnen der Mauern die nachdrängenden Reihen der Feinde verheerten. Aus jedem Tor strömten ein paar Hundert frische Soldaten – die letzte verbliebene Reserve – öffneten ihre Reihen für die Flüchtenden und bremsten dann den Ansturm der ebenfalls entkräfteten Feinde, um wieder zurückzuweichen. Fast gleichzeitig schlossen sich die schweren eisernen Fallgatter der Tore. Die in die Stadt gelangten Feinde sahen sich plötzlich einer gewaltigen Übermacht gegenüber und wurden auf der Stelle niedergemacht, nachdem die schweren Tore geschlossen worden waren. Tausende Argion, die weit abseits der Schlacht in Einzelgefechte verstrickt gewesen waren, hatten jedoch keine Möglichkeit mehr gehabt, Theban zu erreichen und flohen nun stattdessen in alle Himmelsrichtungen.
Rund um die Mauern Thebans drängte sich eine gewaltige Masse Krieger, wimmelnd wie ein Ameisenhaufen, hilflos wie Schafe ohne Hirten, ohne Unterstützung durch Belagerungsmaschinen und Geschütze, die noch zu weit entfernt waren. Gnadenlos wüteten die auf den Mauern stehenden Bogenschützen und die dahinter aufgestellten Katapulte, sowie Pech und Naphta unter den Feinden, bis sie sich schließlich zurückzogen. Die Dämmerung war bereits hereingebrochen, als die gewaltige Schlacht nach beinahe zwei Tagen vorbei war. Die Überlebenden brachen in den Straßen der Stadt völlig erschöpft zusammen und schliefen an Ort und Stelle ein. Um die Stadt herum und vor allem im Norden, wo die Schlacht getobt hatte, lagen Zigtausende Leichen, die in den nächsten Tagen für entsetzlichen Gestank sorgen würden. Nach einer allerersten groben Schätzung hatten etwa siebzigtausend Argion dort draußen auf dem Schlachtfeld ihre Leben gelassen, gegenüber weit mehr als der Hälfte der feindlichen Armee, die ihre Toten schon nach hunderttausenden zählen musste. Noch einmal war der Feind an den Mauern der weißen Stadt zum Rückzug gezwungen worden, doch eine weitere offene Schlacht würde es nicht mehr geben, dafür waren die Verluste Argions viel zu hoch. Die Belagerung Thebans nahm ihren
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