Alvion - Vorzeichen (German Edition)
Geländestreifen von etwa einer halben Meile Breite freigelassen worden, um eine komplette Einkesselung der Stadt noch zu ermöglichen. Dort würden am morgigen Tag fünftausend der zwanzigtausend Fußsoldaten der Stadt Aufstellung nehmen und eine Vereinigung der Feinde auf der Westseite zu verhindern suchen. Perlias Glück war, dass diese es, wegen der geringen Entfernung zur Stadt und den unheimlichen Seelenwäldern, nicht gewagt hatten, dort ein Lager zu errichten. Im Norden der Stadt hatte Alvion das erste große Lager der Feinde gesehen, dann zwei im Westen und schließlich noch zwei im Süden. Über die Ebene hinweg konnte er die Lichter tausender Feuer erkennen und gelegentlich trug der sanfte Wind auch einige Wortfetzen bis zu ihm herüber. Immer wieder ritten kleine Kundschaftertrupps ziemlich nah an die Mauern heran, aber dies waren nichts weiter als kleine, bedeutungslose Drohgebärden, zumeist nicht ungefährlich, da auch ein paar Solier dort unten herumstreiften und sich jener annahmen, die etwas zu wagemutig wurden. Die bevorstehende Schlacht lag in der Luft wie ein Gewitter an einem schwülen Sommertag. Sein über lange Jahre geschulter und geschliffener Instinkt für drohende Gefahr und Unheil hatte ihn selten getäuscht. Nun blickte er wieder direkt nach Osten auf die grasbewachsene Ebene, die langsam im Dunkel versank. Dort würde er morgen irgendwo stehen. Der Befehlshaber seiner Kohorte hatte es vor einigen Stunden während einer kurzen Ansprache erläutert. Ihre Aufgabe war es, den Feind, der aus dem Süden und Osten kam. aufzuhalten, während die Reiterei mit voller Wucht im Norden angreifen würde. Aber alles würde in der Stadt seinen Anfang nehmen, die Aufstellung würde erst beginnen, wenn der Feind seine Truppen in Marsch setzen wollte. Der Befehlshaber hatte sich siegessicher gezeigt und seine Truppen in den Abend entlassen, allerdings angekündigt, dass spätestens um Mitternacht jeder in seinem Bett zu liegen habe. Er wollte ausgeruhte, keine verkaterten und müden Soldaten. Alvion bezweifelte sofort, dass der Offizier alles gesagt hatte, was er wusste und fragte sich, was er wohl verschwiegen hatte. Man brauchte nicht viel Verstand, um zu erkennen, dass der Feind mindestens doppelt so viele Soldaten aufbieten konnte und früher oder später den Widerstand der Stadt brechen würde, wenn nicht irgendetwas Besonderes geschah. Seine Vermutung war, dass der Befehlshaber aus Angst vor Verrätern geschwiegen hatte und gleich darauf wurde ihm wieder bewusst, dass ihn viele immer noch zu den Verdächtigen jenes Kreises zählten. Schließlich drehte er sich um und ging weiter grübelnd die schmalen Stufen einer Steintreppe hinab in die Stadt hinein, um irgendwo etwas zu trinken. Als er schließlich in einer völlig überfüllten Schenke noch einen einzigen Platz ergattert hatte und seinen zweiten Becher Wein trank, beschloss er, nicht mehr weiter daran zu denken. Denn wenn der Befehlshaber nichts verschwiegen hatte, dann würde er morgen sowieso seinen letzten Tag auf Velias Antlitz verbringen.
Der Schlaf, in den er schließlich fiel, als er in seine Unterkunft zurückgekehrt war, war unruhig und von Albträumen geplagt. Sie drehten sich immer um das Gleiche: Kämpfe, Kameraden, die getötet wurden, Blut, Tod, Schmerzensschreie.
Am Horizont kündigte sich mit einer wundervollen Mischung aus rötlichen Farbtönen der Sonnenaufgang an, während der Himmel, durchsetzt mit den funkelnden Leuchtpunkten der Sterne, über der Stadt im undurchdringlichen Dunkel der Nacht thronte. Auf den Stadtmauern war viel Bewegung zu erkennen, da dort gerade die morgendliche Ablösung stattfand. Die Nachtwachen hatten nun etwas Zeit, um zu essen und sich dann auszuruhen, bis man sie wieder auf den Mauern benötigte. Zwischen den hin- und herlaufenden Männern standen immer wieder einige, die angespannt mit Fernrohren über die Ebenen blickten. Ich selbst war bereits unterwegs in Richtung des Osttores, um mich zum Versammlungsort meiner Kohorte zu begeben, der ein Stück die Straße stadteinwärts, zwischen zwei von der Hauptstraße abgehenden Gassen, der Schlüssel- und der Schmiedegasse, lag. Dort hatten sich alle Soldaten kurz nach Sonnenaufgang einzufinden und zu warten, bis das Signal zum allgemeinen Aufbruch gegeben wurde. So früh am Morgen waren die Straßen der Stadt noch still und nahezu menschenleer, doch jene merkwürdige Spannung, die man vor großen Geschehnissen zu spüren glaubte, lag deutlich
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