Alvion - Vorzeichen (German Edition)
in der Luft. Wegen der frühen Stunde war ich der Erste, der sich am vorbestimmten Sammelpunkt einfand, also setzte ich mich auf die Schwelle einer geschlossenen Taverne, lehnte mich nach hinten gegen die Eingangstüre und schloss meine Augen.
Offensichtlich war ich nochmal eingedöst. Das Nächste, was ich wahrnahm, war das Klappern einiger Hufe auf dem Pflaster der Straße. Es näherte sich aus dem Inneren der Stadt und würde jeden Augenblick an mir vorbeikommen. Da ich an den Türstock gelehnt mit dem Rücken zu den Reitern saß, hätte ich mich umdrehen müssen, um sie zu sehen, doch mich interessierte es eigentlich nicht, wer da vorbeikam. Irgendetwas aber veranlasste mich, die Augen zu öffnen, als das Getrappel direkt neben mir war. Für einen winzigen Moment sah ich ihr Gesicht und erkannte sie sofort: Salina von Zelio, die Frau, die ich nicht mehr aus meinen Gedanken verdrängen konnte. Sofort schlug mir das Herz bis zum Hals, so sehr wühlte mich diese unerwartete Begegnung auf. Sie hatte die Kapuze ihrer Kutte nach hinten geschlagen, sodass ich ihre Gesichtszüge gleich wieder erkannte. Im nächsten Augenblick war sie mit ihren Begleitern bereits einige Schritt entfernt, ohne mich gesehen zu haben, aber sie würde mich mit Sicherheit hören, wenn ich ihr nachrief. Doch kein Wort wollte mir über die Lippen kommen, stattdessen starrte ich ihr einfach nur nach, bis sie mit ihren Begleitern hinter einer Biegung der Straße verschwunden war. Ich vermutete, dass sie sich in Begleitung der anderen Magier und vielleicht der Befehlshaber befunden hatte, die noch ein letztes Mal die Stadt umrunden und von außen in Augenschein nehmen wollten. Langsam löste sich die Starre, die mich befallen hatte und im nächsten Moment durchzuckte es mich wie ein Blitz. Mir wurde bewusst, welche Gelegenheit ich in diesem Moment vertan hatte. Salina hätte mir und meiner Geschichte mit Sicherheit geglaubt, sowohl was meine eigenen Erlebnisse als auch mein Misstrauen gegenüber Damas betraf. Fluchend begann ich, vor der Schenke auf und ab zu laufen und schlug mir immer wieder mit der flachen Hand gegen die Stirn.
„ Esel, Esel, Esel! Was ist nur los mit mir? Wie ein dummer Schuljunge stehe ich da und starre sie an, aber das, was wirklich wichtig ist, vergesse ich. Narr!“
„ Gut, dass du von selbst darauf gekommen bist, Alvion, auf mich hättest du ja doch nicht gehört! Aber jetzt, wo du es erkannt hast, kannst du auch etwas dagegen tun.“
Immer noch wütend fuhr ich zu demjenigen herum, der mich von hinten angesprochen hatte, und starrte gleich darauf in Olks grinsendes Gesicht.
„ Ich warne dich, Olk! Ich bin heute nicht zum Scherzen aufgelegt!“
Meine Worte zeigten nicht die geringste Wirkung, denn er grinste mich weiterhin an.
„ Aber Alvion, du nanntest dich selbst einen Narren, das ist eine wichtige Erkenntnis!“, erwiderte er, klopfte mir auf die Schulter und setzte sich gemütlich auf die Schwelle, wo ich vorher gesessen hatte. Er wirkte ungewöhnlich fröhlich und aufgeregt, denn für ihn waren die anstehenden Ereignisse etwas ungeheuer Aufregendes und Abenteuerliches. Ich konnte ihn verstehen, denn ich hatte mich früher auch so gefühlt, wenn ich mit Händlerkarawanen in gefährliche Gebiete gezogen war, wo man sich fast sicher mit Straßenräubern auseinanderzusetzen hatte. Doch wenn man erst einmal einige blutige Gefechte hinter sich hatte, blieb vor dem nächsten nur die Erinnerung an Blut und Todesangst. Ich setzte mich neben ihn und wir vertrieben uns die Zeit mit gegenseitigen Frotzeleien, denn es hätte keinen Sinn gemacht, jetzt weiter über die bevorstehende Schlacht zu reden, weil wir dadurch nur unruhig geworden wären.
Als Melin, Allon, Hael und die drei Magier ihren Rundritt um die Stadt beendet hatten, hatten sie sich am Südtor getrennt. Die Magier begaben sich nun auf die Seite der Stadt, wo sie später dann in der Schlacht sein würden, so wie sie es zuvor verabredet hatten. Melin und Allon fanden sich jeweils zu einer letzten Besprechung mit ihren Offizieren ein, Allon, um die Verteidigung der Mauern noch einmal zu organisieren, Melin, um letzte Details bezüglich der Schlacht zu klären. Hael dagegen suchte den Ort auf, von dem aus er die Schlacht verfolgen wollte: dem höchsten Turm in der Stadt! Dieser war noch zu den Zeiten des eigenständigen ostsolischen Königreichs in der damaligen Hauptstadt Perlia errichtet worden. Er überragte alle anderen Türme und Gebäude der
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