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Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Titel: Alvion - Vorzeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Thiering
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Segel mehr an den Masten hatte, gewann das Schiff an Geschwindigkeit, denn aus Richtung der Insel bahnten sich hohe Wellen ihren Weg hinaus aufs Meer. Glücklicherweise brach keine über uns zusammen, stattdessen sorgten sie dafür, dass wir, wild auf und ab schaukelnd, aufs Meer hinausgetrieben wurden. Ein Blick nach Süden zeigte mir, dass man Genia nicht mehr sehen konnte, denn die Stadt war hinter einem Schleier aus Wasserdampf und Aschewolken verschwunden.
    Dann begann der nächste Abschnitt der Katastrophe: Die Felsklippen, die rechts und links neben uns aufragten, brachen an etlichen Stellen auf und gaben den Weg für flüssiges, rot glühendes Gestein frei, das in bizarr anmutenden, fast schön zu nennenden, leuchtenden Fontänen ins Meer stürzte. Nur wenige Augenblicke später waren wir vollständig von heißem Dampf eingehüllt, der uns jede Sicht nahm, sodass der Kapitän alle unter Deck schickte und selbst nur mit zwei Männern seiner Besatzung am Steuer blieb. Sie ließen sich Decken bringen, um wenigstens irgendwie gegen den heißen Dampf geschützt zu sein, wir dagegen mussten unten bleiben und zu den Göttern beten, dass wir dieses Unheil überstanden. So saßen wir schweigend mit den übrigen acht Männern der Besatzung im Quartier der Seeleute, das nur von ein paar Kerzen erleuchtet wurde, während das Schiff heftig schaukelte. Jeder vermied es, einem anderen in die Augen zu blicken, denn Todesangst hatten alle, man musste nicht auch noch die der anderen sehen. Nach wenigen Minuten kamen die beiden Männer, die oben geblieben waren unter Deck, und schickten zwei Andere, ebenso in Decken gehüllte, nach oben. Die Hitze an Deck musste unerträglich sein und doch kam es fast zu einem Streit unter den Seefahrern, wer als Nächstes nach oben gehen würde. Erst beim nächsten Mal kam auch Kapitän Rial mit unter Deck, um sich etwas zu erholen. Ich erschrak beim Anblick seines Gesichtes, denn auf der braunen, wettergegerbten Haut hatten sich überall kleine Blasen gebildet. Er schaffte es dennoch, uns anzulächeln und damit Mut zu machen, obwohl er fürchterliche Schmerzen haben musste. Meine Mutter, die ihre Arme wieder um meine und Lyrias Schultern gelegt hatte, stand mit entsetztem Gesichtsausdruck auf, musste aber einige Momente gegen das immer noch heftige Schaukeln ankämpfen und verließ dann den Raum in jener Richtung, in der wohl die Kabine des Kapitäns lag. Es dauerte einige Zeit, ehe sie mit einer Holzkiste unter dem Arm zurückkehrte, in der sie offenbar Verbandszeug, Salben oder Ähnliches gefunden hatte. Schweigend machte sie sich daran, die üblen Wunden der Männer zu behandeln. Zuerst legte sie dem Kapitän einen kühlenden Verband auf das Gesicht und drückte ermutigend seine Hand, während er leise aufstöhnte.
    So vergingen die nächsten Stunden, meine Mutter versorgte immer wieder die Wunden der Männer – auch mein Vater war unter ihnen – die von Mal zu Mal schlimmer aussahen, wenn sie wieder unter Deck kamen, während wir in Ungewissheit und Todesangst verharrten.
     
    Irgendwann, inzwischen schienen unzählige Stunden vergangen zu sein, ließ das heftige Schaukeln nach, und wir saßen schweigend in jenem Raum und lauschten dem Ächzen und Knarren des Schiffes, ohne dass jemand sprach. Schließlich kam einer der Männer herunter und verkündete:
    „ Ich glaube, ihr könnt jetzt an Deck kommen, wir haben das Ende des Fjords erreicht und es ist jetzt erträglich draußen.“ Also stolperten alle vorsichtig, einer nach dem anderen, an Deck. Hinter uns stiegen immer noch riesige Wolken aus Wasserdampf auf und behinderten jede Sicht in den Fjord hinein, doch das Schiff wurde nicht mehr davon eingehüllt und wir konnten wieder frei atmen. Das offene Meer war erreicht und von dort wehte uns jetzt sogar eine kühle Brise entgegen.
    Der Kapitän ging sofort wieder auf die Brücke und begann Befehle zu erteilen, obwohl er schwere Brandwunden davongetragen hatte.
    „ Zieht die Segel auf, Männer, oder das, was von ihnen noch übrig ist! Sehen wir zu, dass wir noch ein Stück hinaus aufs offene Meer kommen!“
    Alle folgten seinem Befehl, keiner jammerte oder widersprach und bald waren wir bereits ein gutes Stück von der Insel weg aufs offene Meer hinaus gesegelt. Da wir sonst nichts tun konnten, standen wir an der Reling und blickten zurück auf unsere Heimat, die von einer unfassbaren Katastrophe heimgesucht worden war. Durch den größeren Abstand konnten wir sehen, dass die gesamte

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