Alvion - Vorzeichen (German Edition)
unterhalten konnten. Offenbar sollten Lyria und ich das Gesagte nicht hören, doch ich hatte gute Ohren und das Grollen, war in diesem Moment zu einem Rauschen abgeklungen, sodass ich jedes Wort verstand.
„ Verus, Ihr seid Lyraner, meint Ihr, die Berge werden Feuer spucken?
„ Ich bin mir sicher, Kapitän Rial“, erwiderte mein Vater ernst. „Ich habe dergleichen schon einmal erlebt, wir sollten sehen, dass wir weit genug wegkommen, um es schadlos zu überstehen.“
„ Ich hatte befürchtet, dass Ihr das sagt. Eigentlich wollte ich am gestrigen Tage schon kehrt machen und Alyra meiden, doch es ging nicht mehr.“
„ Wie meint Ihr das? Ihr konntet doch nicht wissen, dass so etwas geschehen wird!“
„ Ihr habt recht, das konnte ich nicht wissen! Es hatte auch einen anderen Grund: Gestern, kurz vor Einbruch der Abenddämmerung, trafen wir auf eine mächtige Flotte. Sie fuhren unter dem Banner Tar Naraans und ihr Kurs führte sie genau auf Alyra zu. Wir befürchteten sofort, in einen Krieg hineinzusegeln und wollten kehrt machen, doch der Wind stand zu ungünstig. Unsere einzige Möglichkeit war, Genia anzulaufen. Hätten wir kehrt gemacht, wären wir womöglich verloren gewesen. Binnen kurzer Zeit hätten sie uns eingeholt und dieses Risiko wollte ich nicht eingehen, denn ich traue Meridianern nicht über den Weg!“
Ich spähte vorsichtig über meine Schulter und erkannte, dass meinen Eltern die Farbe aus dem Gesicht gewichen war, auch das Gesicht des Kapitäns wirkte nicht gerade ermutigend. Lyria hatte von dem Gespräch nichts mitbekommen, jetzt jedoch stupste sie mich an die Schulter und sah mich fragend an.
„ Alvion, was ist los, du bist auf einmal so bleich geworden?“
Ich bedeutete ihr, näher an mich heranzurücken und flüsterte ihr dann ins Ohr:
„ Sie sagen, dass wir auf eine gewaltige Kriegsflotte zufahren!“
Ehe wir Kinder jedoch beratschlagen konnten, was aus unserer Sicht zu tun war, nahm das ganze Unheil seinen Lauf. Ein gewaltiger, ohrenbetäubender Knall ertönte, so laut, dass sogar unsere Glieder zitterten, gleichzeitig spürte ich an meinem ganzen Körper ein seltsames Prickeln, das ich mir nicht erklären konnte. Als es nachließ, blickte ich zurück auf Alyra und sah etwas, das ich mein Leben lang nicht vergessen werde: Die Berge, die man vorher deutlich hatte sehen können, waren hinter einer riesigen Wolke aus alles verzehrendem Feuer verschwunden. Diese Wolke glühte in roten und gelben Farben, mit schwarzen Flecken zwischendrin, und fraß sich wie ein Ungeheuer in jede Richtung: nach oben zum Himmel hinauf, nach Osten, nach Westen, nach Norden und nach Süden auf die Stadt zu. Es dauerte nur Sekunden, dann hüllte sie die Stadt vollkommen ein, ehe sie aber an uns herankommen konnte, hatte sie ihre Kraft scheinbar verbraucht, denn wir blieben von ihr verschont. Dann kam ein gewaltiger Windstoß heran, so heiß, dass wir uns abwenden und unsere Gesichter in den Händen verbergen mussten. Um uns herum schien das Wasser zu kochen und gewaltige Dampfwolken stiegen aus der Bucht auf und verhüllten den Blick auf Genia. Die Insel bebte erneut, denn ich sah kein klares Bild mehr, vielmehr wackelte alles um uns herum. Zu beiden Seiten stürzten gewaltige Felsbrocken in die Bucht. Über uns am Himmel breitete sich die riesige, schwarze Wolke mit ungeheuerer Geschwindigkeit aus, verdunkelte die Sonne, und obwohl es mitten am Tag war, wurde es schnell so dunkel, als würde gleich die Nacht hereinbrechen. Es begann heiße Asche und Funken zu regnen und von der Insel wurden gewaltige Felsbrocken, manche mit glühendem Schweif, in die Bucht geschleudert. Wie durch ein Wunder blieb das Schiff jedoch unversehrt. Während ich mein Hemd nach oben zog und versuchte, mein Gesicht damit zu bedecken, konnte ich den Kapitän schreien hören:
„ Holt die Segel ein, ehe sie Feuer fangen! Beeilt euch, sonst können wir uns auch selbst versenken!“
Blitzschnell stiegen wagemutige Seeleute auf die Masten und begannen die Segel einzuholen und bereits brennende Stellen irgendwie zu löschen. In ihrem Rücken krochen die schwarzen Wolken immer weiter über den Himmel und es sah aus, als würde sich eine schwarze Flüssigkeit über das Blau ergießen. Das Licht der Sonne erreichte uns schon gar nicht mehr, denn über uns war bereits alles tiefschwarz. Im gleichen Moment krachte eine ganze Reihe von gewaltigen Donnerschlägen wiederum so laut, dass einem die Glieder zitterten und obwohl es keine
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