Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Palastareal erstreckte, waren die großen Geschäftshäuser der Händlervereinigungen angeordnet, ein Theater, sowie die Versammlungshalle der Stadtoberen. Allesamt waren sie mehrstöckig, mit einstmals prächtigen Fassaden und breiten Treppen, die zu den großen Eingängen führten. In der Mitte des gepflasterten, wohl zweihundert mal zweihundert Schritt großen Platzes stand ein gewaltiges Reiterstandbild des berühmtesten Sohnes der Stadt: Gediom, der große Eroberer, dessen Namen alle Völker Velias immer noch mit großer Ehrfurcht aussprachen. Dort wartete ich auf Tian, der zu einem ihm bekannten Händler gegangen war, um nach einem Auftrag zu fragen. Wenige Minuten später kam er langsam über den Platz auf mich zu.
    „ Aurora?“, fragte er, als er herangekommen war.
    „ Wann?“, antwortete ich mit einer Gegenfrage.
    „ Heute noch, gegen Mittag! Der Händler war froh, als ich ihn ansprach. Er macht sich Sorgen wegen der zunehmenden Umtriebe der Banden im Gebiet des Gatorpasses.“
    Das konnte ich gut verstehen, denn Aurora lag, weitab vom übrigen Solien, inmitten steiniger Eiswüsten, an den Ausläufern der östlichen Gatorberge und konnte sich nicht selbst versorgen. Wegen der immensen Mengen an Gold, Silber, Diamanten und anderen kostbaren Erzen aus den Bergwerken und der Felle, die die Jäger aus den Eiswüsten dort verkauften, war die Stadt jedoch unermesslich reich. Da es dort aber keine Möglichkeit gab, Getreide oder Früchte anzubauen, bezahlte man hohe Summen für Lebensmittel. Allerdings war Aurora nur über den schmalen Gatorpass zu erreichen, dessen Passage alleine schon große Anforderungen an Reisende stellte, denn es waren dafür zweihundert Meilen im Gebirge, zumeist auf verschneiten Weg, in großer Höhe zu bewältigen. Zusätzlich, zu diesen Anstrengungen und der Kälte, kamen noch die dort ansässigen Räuberbanden, die natürlich besonders fette Beute machen konnten.
    „ Bestens, Tian, bestens! Auf nach Aurora!“ rief ich freudig und verspürte ein angenehmes Kribbeln auf meiner Haut.
     
    Es folgten lange und harte Wochen. Wie vorherzusehen gewesen war, machten uns vor allem die Überquerung des Gatorpasses, der einzigen passierbaren Stelle zwischen den ansonsten bis zu sieben Meilen hohen und unbezwingbaren Gatorbergen, mit seinen Räuberbanden schwer zu schaffen. Dutzende Male wurden wir hinterrücks überfallen oder mussten uns den Weg mit dem Schwert hart erkämpfen. Zudem froren wir erbärmlich, obwohl wir alle in dicke Fellmäntel, –hosen und –stiefel gehüllt waren, doch der Anblick, den Aurora dann bot, war all diese Mühen wert gewesen. Unzählige Türme ragten dort in den Himmel, viele mit goldenen Dächern, überall stiegen die Rauchsäulen wärmender Feuer in den Himmel, dahinter erstreckten sich die weiten, schneebedeckten Ebenen. Ein harter, aber gastfreundlicher und lustiger Menschenschlag lebte in der Stadt und ihrer Umgebung. Dort feierten wir einige Feste mit dem brennenden Schnaps, den die Bergleute und Jäger wie Wasser hinunterkippten, während uns die Kehle brannte, als hätten wir flüssiges Pech geschluckt. Als wir nach einigen Tagen die Stadt wieder verließen, diesmal nicht mit Getreide, Früchten und Wein, sondern mit Gold, Silber und Eisen im Gepäck, schworen wir, bald wiederzukehren.
     
    In Vylaan angekommen, ergriff unser Auftraggeber die Gelegenheit beim Schopfe und zog mit einem großen Trupp Soldaten weiter in Richtung Perlia, sodass er unsere Dienste nicht länger benötigte. Wir fanden jedoch schnell weitere Aufträge und bereisten fast zwei Jahre lang gemeinsam die Länder Septrions, welche sich von Ost nach West und von Nord nach Süd an die viertausend Meilen erstreckten. Wir kamen hoch in den Nordwesten in die Länder der Zal, eingeschlossen von den westlichen Gatorbergen und geteilt durch die Silberberge, zogen durch die Ebene von Litein, benannt nach der Hauptstadt zwischen den Silberbergen und Zalis. Auf der breiten Königsstraße gelangten wir bis nach Gillina, der nördlichsten Stadt von ganz Velia und verließen über den wichtigen Hafen Muria das Land in Richtung Westsolien. Per Schiff gelangten wir über das solische Meer hinunter nach Ulyssa, ganz im Süden, wo ich aufgewachsen war und zogen von dort aus durch die Große Wüste, die graue Südwüste und den Kupferpass wieder nach Norden. Einige Zeit machten wir in Media halt, der alten westsolischen Hauptstadt, inmitten der riesigen, von unzähligen Dörfern bedeckten Ebene. Von