Alvion - Vorzeichen (German Edition)
von solcher Dringlichkeit und solch ernstem Inhalt, dass sie ihre Pferde an den Rand der Erschöpfung getrieben hatten und diese täglich in Dörfern oder Gasthöfen wechseln mussten.
Nachdem die Reiter die Wachen am Tor der Palastanlage passiert hatten, richtete der Anführer einige Worte an seine Gefährten, die daraufhin zu den Stallungen ritten, während er selbst in den Innenhof des Palastes gelangte, und kurze Zeit später atemlos vor einem der zahlreichen Sekretäre des Königs stand. Merlas, so der Name des Soldaten, überreichte dem sichtlich unwilligen Schreiber hinter einem mit Dokumenten bedeckten Tisch die versiegelte Botschaft und hatte in diesem Moment seine Pflicht erfüllt. Mit einer fahrigen Handbewegung entließ ihn der Sekretär und wandte sich dann jenem Ärgernis zu, welches das Ende seines täglichen Dienstes hinauszögern würde. Dennoch wagte er nicht, es beiseitezulegen und bis zum morgigen Tag ruhen zu lassen, denn dazu hatte der Bote viel zu nachdrücklich auf dessen Wichtigkeit hingewiesen. Merlas dagegen war äußerst erleichtert, als er wieder auf dem Hof des Palastes stand, der soeben von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne gestreift wurde. Er entsann sich, dass er noch einen weiteren Brief mit sich führte, den er in einem nahe gelegenen Gasthof hinterlegen sollte, also nahm er sein Pferd am Zügel und machte sich auf den Weg zum Tor, um das auch noch zu erledigen, ehe er sich ein Quartier zuweisen lassen und mindestens bis zum nächsten Mittag schlafen wollte.
Nachdem er das Dokument mit dem königlichen Siegel geöffnet und kurz überflogen hatte, war jeder Ärger, den der Sekretär kurz zuvor noch empfunden hatte, vergessen, stattdessen brauchte er einige Augenblicke um dessen Inhalt geistig zu erfassen, während jede Spur von Farbe aus seinem Gesicht wich. Dann überlegte, was er tun sollte, denn eigentlich hätte die Botschaft sofort in die Hände des Königs gehört, doch dieser weilte derzeit auf seinem Landsitz, nördlich von Vylaan.
Mit dem Schreiben in der Hand hastete er durch die Gänge des Palastes und suchte nach einem der königlichen Berater, von denen sich zumindest einer noch im Palast aufhalten musste. Mehrere Male jedoch trat er vergeblich in einen der Empfangsräume, nur um von einem Kollegen mit bedauerndem Gesichtsausdruck darüber informiert zu werden, dass sein Herr oder seine Herrin bereits das Schloss verlassen hatten. Seltsamerweise traf er dann gerade denjenigen an, den er am wenigsten noch hier erwartet hatte, denn Aslan, einer der militärischen Berater des Königs, stand in dem Ruf, es mit den Dienstzeiten nicht allzu genau zu nehmen. Doch eben zu jenem Mann wurde er schließlich vorgelassen und konnte ihm mit zitternden Händen das Dokument überreichen. Der kleinwüchsige, alte Soldat empfing ihn mit einem Lächeln und einem Becher Wein in der Hand, ehe das Schreiben in Empfang nahm.
Schon nach wenigen Zeilen verhärteten sich seine Gesichtszüge und er entließ den Schreiber mit einer kurzen Geste.
„ Bei den Göttern!“, hörte der Schreiber den alten Soldaten laut ausrufen, als er die Türe zu dessen Arbeitsraum geschlossen hatte.
Aslan hatte sich hinter seinem Schreibtisch niedergelassen, geistesabwesend seinen Wein beiseite gestellt, und mit wachsender Besorgnis begonnen, das Dokument zu lesen, denn schon die erste Zeile zeugte von dessen Bedeutsamkeit.
Sonderbericht zu Händen seiner Königlichen Hoheit Melior, verfasst von Terato Relif, Statthalter seiner Majestät zu Bilonia.
Majestät
Ich bedauere unendlich, dass ich derjenige sein muss, der Euch die entsetzliche Neuigkeit überbringen muss, die unser aller Herzen mit großer Furcht erfüllt hat, auch wenn es natürlich ebenso unsere Überzeugung ist, dass Eure unerreichten Fähigkeiten auch dieser Entwicklung Einhalt gebieten werden.
Am heutigen Tage erreichte ein braver Kapitän, der seit langen Jahren pflichtbewusst und treu seinen Dienst in der königlichen Flotte erfüllt, den Hafen Bilonias und eilte zu Elef Marca, dem Befehlshaber Eurer weit gerühmten südlichen Flotte, welcher die ernste Kunde sofort zu mir brachte. Der Kapitän kehrte mit der bestürzenden Nachricht von seiner Patrouillenfahrt zurück, dass in den großen Häfen Kragiens gewaltige Flottenbewegungen zu beobachten waren. Ebenso gelang es ihm zu erspähen, dass sich Armeen von immenser Stärke in und vor jenen Städten versammelt hatten. Diesen Beobachtungen hinzuzufügen ist,
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