Alvion - Vorzeichen (German Edition)
Xandros begraben müssen. Tapfer hatte er bis zuletzt auf seinem Pferd ausgeharrt und nicht geklagt, bis er am Morgen nicht mehr aufgewacht war. Als wir seine Jacke aufknöpften, fanden wir das Hemd darunter blutgetränkt, sein Körper verbreitete den fauligen Geruch von schwärenden Wunden, die sich entzündet hatten und dadurch nicht hatten heilen können. Er musste fürchterliche Schmerzen durchlitten haben! Lange standen wir einfach nur schweigend um seinen Leichnam herum, bis wir ihn schließlich nach altem Brauch mit seinem Schwert in den Händen begruben und gemeinsam im Gebet die Götter um Hilfe anflehten, doch es besserte sich nichts an unserer Lage. Wenigstens zahlten sich die Erfahrungen, die ich in den Jahren zuvor auf meinen langen, harten Wanderschaften gemacht hatte, aus, weil ich abends immer damit beschäftigt war, die Feuer zu entfachen. Denn ich war der Einzige, der wusste, wo man bei derartiger Nässe noch trockenes Reisig finden konnte, um das völlig durchnässte Holz zum Brennen zu bringen.
Auch an diesem Abend war ich lange damit beschäftigt gewesen, ehe ich mich zu Syur, Angalos und Abax, den übrig gebliebenen Offizieren, ans Feuer setzte. Abax reichte mir ein Stück gebratenes, unglaublich zähes Fleisch von irgendeinem Wildtier, das sie mir aufgehoben hatten, dann warteten sie, bis ich gegessen hatte. Schließlich war es Angalos, der das Gespräch begann.
„ So geht es nicht weiter! Wir sind alle bis auf die Knochen durchnässt, die Hälfte der Männer ist bereits krank, wir finden kaum noch etwas zu essen und kommen wegen des Wetters auch noch wesentlich langsamer vorwärts, als wir gehofft hatten!“
„ Das wissen wir alle und keiner widerspricht dir. Was also schlägst du vor Angalos?“, fragte Abax. Wir waren seit Tagen dazu übergegangen, die förmliche Anrede wegzulassen, denn jedem von uns kam es lächerlich vor, angesichts der Umstände weiter darauf zu bestehen.
„ Wir müssen den Wald verlassen, raus in die Ebenen, wo wir schneller vorwärtskommen!“, sagte er mit Überzeugung in der Stimme.
„ Ich gebe zu bedenken, dass wir einen guten Grund hatten, den Weg durch die Wälder zu wählen!“, mischte ich mich in das Gespräch ein. „Und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass die Meridianer starke Aufklärungstrupps einsetzen, vielleicht nicht direkt, weil sie uns suchen, aber auf jeden Fall um möglichst jeden Widerstand zu unterdrücken, der sie auf ihrem Vormarsch behindern könnte.“
„ Das ist mir wohl bewusst, Alvion, trotzdem wäre ich bereit, das Risiko einzugehen. Wenn wir weiter in deinem verfluchten Wald bleiben, werden bald nicht mehr viele von uns übrig sein! Es ist nicht jedermanns Sache so zu leben!“, erwiderte er mir gereizt und blickte mich böse an. Es war ihm deutlich anzumerken, dass er mit seinen Kräften, sowohl geistig wie körperlich, am Ende war. Ich blickte ihm mit ruhiger Miene so lange in die Augen, bis er schließlich den Kopf senkte und meinte:
„ Es tut mir leid, Alvion, so hatte ich das nicht gemeint.“
Nach einem kurzen Moment des Schweigens ergriff ich wieder das Wort.
„ Angalos, ich hatte gar nicht vor dir zu widersprechen, ich wollte nur meine Bedenken aussprechen. Wir landen womöglich in den Händen unserer Feinde, wenn wir jetzt die Wälder verlassen, dennoch stimme ich zu, dass wir hier über kurz oder lang alle zugrunde gehen. Habt ihr die Stimmung unter den Männern bemerkt? Sie wittern überall schon Gespenster, kein einziger scheint noch Mut oder Durchhaltevermögen zu haben.“
Die anderen nickten, denn tatsächlich fühlten wir uns seit einiger Zeit irgendwie beobachtet und mehrere Soldaten hatten sich bereits wegen unheimlicher Vorkommnisse an uns gewandt. Dabei ging es immer wieder um flüchtige Schatten, die jemand im Dickicht gesehen haben wollte, oder einfach um das zunehmend beängstigende Gefühl, von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden.
„ Ich dachte, es wäre schwerer, diesen Beschluss durchzusetzen, aber es scheint, dass es dem Wunsch jedes Einzelnen von uns entspricht, den Wald zu verlassen“, sagte Abax und blickte uns erwartungsvoll an.
„ Ich stimme zu!“, erklärte Angalos.
„ Ich ebenfalls!“, meinte Syur und auch ich nickte, als sich alle drei Augenpaare auf mich richteten. „Wir müssen in die Ebenen hinaus, dort wird es ja wohl auch nahe am Wald Dörfer geben, sodass wir zumindest einmal wieder trocken und warm nächtigen können, und wenn es nur in ein paar Scheunen
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