Alzheimer und Demenzen
gesteuert, das daher auch Sprachregion heißt.
Die Sprachregion ist hauptverantwortlich für die gesamte Sprachverarbeitung, d. h. für das Sprechen, aber auch für das Verstehen von Sprache. Wird ein bedeutender Teil der Gehirnzellen der Sprachregion zerstört, kommt es zu Sprachproblemen. Im Verlauf einer Demenzerkrankung sterben Gehirnzellen der Sprachregion ab, weil entweder – wie im Fall einer vaskulären Demenz – die Adern und Äderchen, die die Sprachregion versorgen, nicht mehr ausreichende Mengen an Blut fördern oder – im Falle einer neurodegenerativen Demenz – sich Eiweißablagerungen in und zwischen den Zellen der Sprachregion bilden. Dies kann unterschiedlichste Störungen verursachen, die im Folgenden beschrieben werden.
Bei Demenz kommt es zu Störungen des Wortspeichers
Die auffälligsten Sprachstörungen bei Demenzkranken sind die bereits erwähnten Wortfindungsprobleme. Nun sind Wortfindungsstörungen an sich nicht gleich ein Krankheitszeichen! Wahrscheinlich kennt jeder erwachsene Mensch das Problem der Wortfindungsstörungen von sich selbst: In Zeiten von Stress, Müdigkeit, Unkonzentriertheit, Nervosität oder depressiver Verstimmung kann man oft ganz banale, alltägliche Wörter nicht abrufen. Bei Demenzkranken kann diese Störung jedoch ein so starkes Ausmaß annehmen, das daraus für den Betroffenen ein echtes Kommunikations-Handicap entsteht.
Wann treten Missverständnisse auf?
Weitere sprachliche Probleme können sich bei einem Demenzkranken auch dadurch ergeben, dass er ein schnelles Wechseln von Themen nicht mehr nachvollziehen kann. Wenn ich mich als Angehörige z. B. gerade mit meinem demenzkranken Familienmitglied über das Geburtstagfest unterhalte, auf dem wir gestern Abend eingeladen waren, und ganz plötzlich frage – weil es mir eben in den Sinn kommt: »Brauchen wir eigentlich noch Lebensmittel fürs Wochenende?«, dann kann es sein, dass der Kranke ganz verwirrt ist, weil er mir nicht so schnell zum nächsten Thema folgen kann. Bleibt man bei dem Vergleich mit dem inneren Archivar (siehe Kasten), ist dieser in seinem inneren Lexikon noch mit der Schublade »Geburtstagsfest« beschäftigt und weiß nicht, wie das Thema »Lebensmittel fürs Wochenende« jetzt in diesen Zusammenhang gebracht werden kann.
Um die im Folgenden dargestellten sprachlichen Störungen verstehen zu können, muss man sich noch einmal vergegenwärtigen, dass wir fürs Sprechen und das richtige Verstehen von Sprache ein funktionierendes Gedächtnis brauchen. Damit man einen Satz, den man hört, auch verstehen kann, muss man ihn im Gedächtnis behalten können, bis er zu Ende gesprochen ist. Hat man den Anfang vergessen, noch bevor die Äußerung beendet ist, kann man den Sinn des Gesagten nicht erschließen. Die Gedächtnisprobleme, die bei Demenzerkrankungen auftreten, können daher im sprachlichen Verständigungsprozess zu folgenden Problemen führen.
Der Betroffene versteht lange Sätze nicht mehr
Der Kranke versteht lange, kompliziert strukturierte Sätze nicht, weil seine Gedächtnisspanne nicht ausreicht, um sich diesen ganzen komplexen Satz kurzfristig merken zu können. Folgendes Beispiel soll dies illustrieren:
Ich möchte mit meinem kranken Familienmitglied den morgigen Sonntag planen und so schlage ich vor: »Sollte es morgen nicht regnen, könnten wir – sofern du morgen dazu Lust hast und niemand aus der Familie unangemeldet zu Besuch kommt – nach deinem Mittagsschläfchen, das du ja dann mal ein bisschen kürzer halten könntest, zum Kaffeetrinken nach Hochdorf fahren in die Konditorei, in die uns Meiers damals nach der Beerdigung von Herrn Meier eingeladen haben.« Darauf fragt mich der Kranke absolut erschrocken: »Bei Meiers ist schon wieder jemand gestorben?«
Was ist die Ursache dieses Missverständnisses? Ich habe in einem einzigen Satz so viele Inhalte angesprochen – das morgige Wetter, Familienbesuch, Mittagsschlaf, Kaffeetrinken, Beerdigung –, dass der Kranke diese nicht mehr schnell genug in einen Zusammenhang bringen kann. Außerdem vergisst er aufgrund seiner Gedächtnisprobleme die ersten Inhalte schnell wieder. Und so behält er nur eine Information im Gedächtnis, nämlich die Beerdigung in der Familie Meier, die er nun, aus dem richtigen Zusammenhang gerissen, falsch versteht.
Unvollständige Sätze sind problematisch
Der Kranke versteht unvollständige Sätze nicht, weil er die Informationen schon wieder vergessen hat, die er bräuchte, um den Satz
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