Alzheimer und Demenzen
Die Gründe hierfür können körperlicher Art sein, wie sie bei älteren Menschen allgemein anzutreffen sind, z. B. eine Schwäche der Muskulatur am Blasenausgang, das Absinken der Beckeneingeweide bei schwächer werdender Beckenmuskulatur oder Harnwegsinfekte. Bei Demenzkranken kann Inkontinenz aber auch zusätzlich durch andere Störungen verursacht bzw. verstärkt werden, beispielsweise durch Desorientiertheit, Verständigungsschwierigkeiten, Immobilität.
Die Inkontinenz eines demenzkranken Familienmitglieds stellt mich als Angehörige möglicherweise vor große Probleme, weil ich mich z. B. vor seinen Ausscheidungen ekle und sie doch regelmäßig beseitigen muss. Vielleicht empfinde ich auch Scham, wenn ich miterleben muss, dass er sich einnässt bzw. einkotet.
Wie funktioniert unser »geistiges Lexikon«?
Im Laufe des Lebens häuft ein Mensch unzählige Informationen und Erfahrungen an. Sein Wissen wächst und wächst. Die Leistung des Gedächtnisses ist, all diese Informationen sinnhaft zu strukturieren und einzuordnen. Sehr gut vergleichen kann man diese Strukturen mit einem großen Archiv, in dem ein Archivar alles geordnet und sortiert aufbewahrt.
Durch langjährige Forschungen hat man festgestellt, dass der gesamte Wortschatz eines Menschen in seinem »geistigen Lexikon« gespeichert ist. Dieses »Lexikon« ist aber nicht eine ungeordnete, chaotische Ansammlung von Wörtern, sondern es hat eine innere Ordnung, eine Struktur. Alle Wörter sind zum einen inhaltlich und nach Oberbegriffen in »Schubladen« geordnet. Zum anderen gibt es wohl aber auch eine Ordnung nach äußeren Gesichtspunkten: Wörter mit gleichen Anfangsbuchstaben, mit gleicher Silbenlänge und Wörter, die sich reimen, werden zusammen in gemeinsame Schubladen eingeordnet.
Es gibt also offensichtlich ein komplexes Schubladen-Ordnungs-System in unserem »geistigen Lexikon«. Und es gibt wohl auch, wenn man einmal bei diesem bildhaften Vergleich bleiben will, einen Archivar, der die Ordnung angelegt hat und sie überwacht. Soll ein spezielles Wort abgerufen werden, geht der Archivar los, öffnet die richtige Schublade und holt den richtigen Begriff heraus. Dabei lässt er übrigens die Schublade offen, sodass in der Zeit, in der ein bestimmtes Wort abgerufen wird, die anderen Wörter, die mit diesem in einer Schublade sind, viel leichter und schneller abgerufen werden können. Man sagt zu diesem Phänomen, dass die verwandten Wörter mitaktiviert werden.
Während bei gesunden Menschen der Archivar mal müde und unkonzentriert sein kann, kann es bei einem demenzkranken Menschen passieren, dass der Angestellte des Sprach-Archivs erkrankt und immer schlechtere Leistungen erbringt: Er findet nicht schnell genug den richtigen Begriff oder er bringt möglicherweise sogar ein falsches Wort mit in der Annahme, es sei das richtige. Manchmal bringt er das richtige Wort, räumt es aber nach Gebrauch nicht wieder in die Schublade, sodass es weiterhin am Ausgang des Lexikons herumgeistert und ständig ungewollt wieder abgerufen wird (in diesem Fall spricht man von Perseveration, d. h. der Betroffene bleibt an einem bestimmten Wort oder Wortteil, das er benutzt hat, hängen und sagt es immer wieder, obwohl er es gar nicht mehr sagen will.)
In manchen Fällen erkrankt der Archivar als Organisator des inneren Lexikons so stark, dass er auch die Ordnung im Lexikon nicht mehr aufrechterhalten kann. Die Schubladen geraten durcheinander, manche bleiben ständig offen, andere lassen sich nicht mehr öffnen. Die innere Struktur des Lexikons löst sich auf. Dann können die Sprachprobleme sehr starke Ausmaße annehmen, weil der Kranke kaum mehr richtige Worte zur richtigen Zeit abrufen kann.
Die Verständigung wird schwieriger
Im Verlauf einer Demenz treten auch zunehmend Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten auf. Die Aufmerksamkeit und Denkfähigkeit des Erkrankten lassen nach, und es entstehen oft schwierige Kommunikationssituationen. Mit bestimmten Kommunikationsformen lässt sich dennoch die Verständigung mit dem Kranken lange aufrecht erhalten.
Als Angehörige eines demenzkranken Familienmitglieds erlebe ich es immer wieder, dass der ganz alltägliche Umgang mit dem Kranken sich zunehmend verändert und schwieriger wird. So stelle ich möglicherweise im Laufe der Zeit fest, dass er
von sich aus kein Gespräch mehr beginnt,
sich an Gesprächsrunden mit mehreren Personen gar nicht mehr beteiligt,
Wortfindungsprobleme hat und dann umständlich
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