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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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noch nicht. Wenn man einmal von einzelnen Worten absieht.«
    »Mir ist nicht ganz klar, was das für eine Rolle spielen soll«, beharrt Barbarotti. »Sie sind seine Mutter, Sie müssen doch gemerkt haben, ob er wusste, was Sie mit seinem Vater getan haben, nicht? Unabhängig davon, ob er nun sprach oder nicht.«
    Sie dreht die Handflächen nach oben, aber es ist eine höchst unsichere Geste. Er hat keine Ahnung, was ihr in diesem Moment durch den Kopf geht. Vielleicht spielt sie Theater, denkt er. Wenn ja, ist es jedenfalls keine besonders schwere Rolle, außerdem ist es ja nicht das erste Mal, dass sie in dieser Position ist. Er sieht aus dem Fenster, wo die Sonne für Sekunden zwischen den Wolken aufblitzt. Hoch am Himmel stehend, obwohl es bereits halb zehn ist.
    »Es stimmt schon, dass ich das hätte merken müssen«, sagt sie schließlich. »Aber ich konnte ihn ja schlecht direkt darauf ansprechen. Oder es ihm erzählen. Ich lebte in diesem Sommer doch in … na ja, in einer Art Schockzustand.«
    »Weil Sie Ihren Mann getötet hatten.«
    »Ja. Ist das so abwegig?«
    »Nein«, antwortet Barbarotti. »Das ist es vielleicht nicht. Aber Sie haben doch bestimmt hinterher darüber gesprochen, Billy und Sie?«
    »Worüber?«
    »Ob er es wusste oder nicht?«
    »Nein«, sagt sie nach einem gewissen Zögern. »Nicht in dieser Weise, glaube ich.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragt Barbarotti.
    »Ich meine, dass ich … dass ich natürlich versucht habe, ihm zu erklären, was passiert war. Als sie die ersten Teile von Harry im Wald fanden. Bevor die Polizei mich verhaftete. Aber ich …«
    Er kann nicht beurteilen, ob ihr Zögern echt oder gespielt ist, und lässt sie fortfahren.
    »… aber ich schaffte es nicht rechtzeitig. Und das war ja auch nicht wichtig.«
    »Und was war wichtig?«, erkundigt sich Barbarotti.
    Sie räuspert sich und sammelt Kraft.
    »Wichtig war natürlich nicht, ob er etwas geahnt hat oder nicht. Für mich war wichtig, dass er begriff, was passiert war.«
    »Warum Sie es getan haben?«
    »Ja. Ich wollte, dass er es verstand.«
    »Und was genau sollte er verstehen?« Er spürt kurz Befriedigung darüber aufblitzen, dass es ihm gelungen ist, das heikle Wort verstehen so verdienstvoll zu rehabilitieren.
    »Ich weiß es nicht mehr«, antwortet Ellen Bjarnebo seufzend. »Und es spielt auch keine Rolle mehr. Ich begriff natürlich, dass man ihn mir wegnehmen würde. Dass ich später wahrscheinlich nie mehr die Chance bekommen würde, es ihm zu erzählen und zu erklären. Und ich dachte, dass er …«
    »Ja?«
    »… dass er es begreifen würde. Er mochte seinen Vater nicht. Billy hatte Angst vor Harry. Ich hatte auch Angst, deshalb ist es ja so weit gekommen. Deshalb habe ich es getan. Um … uns zu befreien.«
    »Aber Sie hatten es nicht geplant?«
    »Nein«, sagt sie und zuckt ein wenig resigniert mit den Schultern. »Ich hatte es nicht geplant.«
    Barbarotti nickt und versucht, die Welle der Sympathie im Keim zu ersticken, die unaufgefordert in ihm aufwallt. Das Gespräch mit der früheren Eisenwarenhändlerin Pallin ist ihm noch gut in Erinnerung. Man soll über Leute, die seit mehr als zwanzig Jahren tot sind, nicht schlecht reden, aber Harry Helgesson ist zu seinen Lebzeiten ein Drecksack gewesen und darf hier gerne die Ausnahme von der Regel bilden. Er denkt darüber hinaus, dass es viel einfacher ist, unsympathische Menschen zu vernehmen, und zum Glück sind die meisten Verbrecher unsympathisch. Er schweigt eine Weile, während er in seinem Notizblock blättert und so tut, als würde er über seine nächste Frage nachdenken.
    »Und Ihre Nachbarn auf Groß-Burma«, sagt er, »die begriffen auch nicht, wie die Dinge wirklich lagen? Den ganzen Sommer über nicht?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Nicht einmal Göran Helgesson?«
    Doch darauf antwortet sie nicht. Bittet stattdessen um Entschuldigung und erklärt, dass sie auf die Toilette gehen muss. Verspricht, sofort zurückzukommen.
    Barbarotti nickt, schaltet das Aufnahmegerät aus und spürt, dass auch er dankbar für eine Pause ist.

39
    A ls Eva Backman am Montagabend nach Hause kam, versuchte sie, den Tag zusammenzufassen. Allerdings erst, nachdem sie ein nachlässig zubereitetes Nudelgericht gegessen und in ein alles andere als nachlässig vorbereitetes Schaumbad gestiegen war. Soweit sie es beurteilen konnte, war Letzteres genau das, was sie jetzt brauchte. Und soweit sie es darüber hinaus beurteilen konnte, war es inzwischen mehr oder weniger

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