Am Abend des Mordes - Roman
Viertel vor neun.
Wie man es auch drehen und wenden mochte, es war einiges passiert.
Am Anfang (und am Ende) war es in erster Linie um Lill-Marlene Fängström gegangen, die zartfühlende Mutter des toten Schwedendemokraten. Am Morgen hatte Kriminalassistent Wennergren-Olofsson wie geplant eine längere Vernehmung mit ihr durchgeführt – und sich dabei auf die Beobachtung konzentriert, die sie Backman am Samstag geschildert hatte: die beiden Männer, die ihrer Behauptung nach die Wohnung ihres toten Sohnes überwachten.
Weil Wennergren-Olofsson nichts dem Zufall überlassen wollte, hatte die Vernehmung fast zwei Stunden gedauert, und hinterher, als Frau Fängström das Präsidium verlassen hatte, führte Backman ein kürzeres Gespräch mit dem Kriminalassistenten. Er meinte, er setze großes Vertrauen in die Informationen und nehme die Sache sehr ernst, wolle sich aber die Aufnahme aufmerksam anhören und einen ausführlichen Bericht schreiben, ehe er sich mit letzter Sicherheit äußern könne.
Während Wennergren-Olofsson mit der trauernden Mutter sprach, hatte Backman ihrerseits in Gesellschaft einer anderen, etwas jüngeren Frau in einem anderen Zimmer gesessen. Sie hieß Frida Skare und hatte sich bei der Polizei gemeldet, weil sie eventuell zu wissen glaubte, in wessen Gesellschaft Raymond Fängström seine letzte Mahlzeit eingenommen hatte.
Eventuell . In dem gesamten, vierzig Minuten dauernden Gespräch legte sie großen Wert darauf, diese Modalität zu unterstreichen.
Ebenso großen Wert hatte sie auf ihre Forderung nach Anonymität gelegt. An einem Samstagabend zusammen mit Raymond Fängström zu dinieren, gehörte nicht zu den Dingen, mit denen man sich gerne brüstete, und wenn Fräulein Skare sich irrte und ihre Freundin erfuhr, von wem der Tipp gekommen war, würde diese Freundin sie umbringen.
Besagte Freundin, die übrigens Ellen Hökberg hieß, hatte ein großes Geheimnis daraus gemacht, wo sie den betreffenden Abend zu verbringen gedachte – und später daraus, wo sie ihn verbracht hatte . Insbesondere hinterher, und Frida Skare hatte das Ganze recht bald als eine Verabredung diagnostiziert, die irgendwie schlecht gelaufen war. Ein Date, das Ellen in bekannter Manier im Internet ausgemacht hatte, und für den Fall, dass es schlecht laufen würde, vorerst geheim halten wollte.
Und anschließend, weil es tatsächlich so gekommen war wie befürchtet.
Ja, so ungefähr. Frida Skare erläuterte, dass Ellen Hökberg nun einmal so tickte, das Gleiche war auch vorher schon ein oder zwei Mal passiert, und wenn sie an einen Mistkerl oder einen Nerd geriet, wollte sie nicht darüber sprechen. Nicht einmal mit ihrer besten Freundin, eine Rolle, die Frida bekleidete, seit sie gemeinsam das Gymnasium besucht hatten. Seit mittlerweile mehr als zehn Jahren.
Abhaken und weitermachen, das war schon lange bevor der schwedische König seine Haltung entsprechend formulierte, Ellen Hökbergs Philosophie gewesen.
Und warum sollte sie sich ausgerechnet mit Raymond Fängström verabredet haben?, hatte Inspektor Backman wissen wollen.
Nun, hatte Frida Skare – nun fast flüsternd – erklärt, eine andere Freundin, deren Name sie nicht nennen könne, denn sonst würde sie noch einmal umgebracht werden, habe Ellen und Fängström am frühen Samstagabend zusammen gesehen. Genauer gesagt im ICA -Supermarkt in der Allégatan, nur einen halben Häuserblock von Fängströms Wohnung entfernt.
Und daraufhin hatte sie zwei und zwei zusammengezählt.
Darüber hinaus noch mal zwei hinzugefügt, könnte man vielleicht sagen, da Ellen Hökberg in den letzten Wochen nicht sie selbst war. Schlichtweg Probleme mit dem Abhaken hatte. Skares Einschätzung nach musste es um mehr als nur ein missglücktes Rendezvous gegangen sein. Solche kleinen Fehltritte waren Ellen Hökberg auch früher schon unterlaufen, so etwas war nicht weiter der Rede wert und gehörte normalerweise zu den Dingen, mit denen sie zurechtkam.
Ja, das war das Ganze in Kürze. Also das eventuelle Ganze.
Eva Backman hatte sich für die Informationen bedankt, versprochen, Frida Skares Namen möglichst für sich zu behalten, und erfahren, wie Ellen Hökberg zu erreichen war.
Danach stellte sich heraus, dass sie sich zu einer zweitägigen Konferenz in Särö, zwanzig Kilometer südlich von Göteborg, aufhielt. Backman erreichte lediglich ihren Anrufbeantworter und beschloss, keine Nachricht zu hinterlassen. Wenn Fräulein Hökberg tatsächlich etwas mit
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