Am Abend des Mordes - Roman
Verbitterung fraßen ihn innerlich auf. Wissen Sie, ich habe nie bereut, was ich getan habe. Ist das nicht ein Zeichen?
GB: Ein Zeichen für was?
EB: Dafür, dass ich richtig gehandelt habe. Bereut man es nicht immer, wenn man einen Fehler gemacht hat?
GB: Ich weiß es nicht. Vielleicht haben Sie recht. Diese Stimme, die Sie eben erwähnten, hat die Sie aufgefordert, Harry zu töten?
EB: Nein, das glaube ich ehrlich gesagt nicht.
GB: Aber als Ihr Bruder und seine Frau Billy in ihre Obhut nehmen wollten, war das in Ihren Augen eine gute Lösung?
EB: Ich sah jedenfalls keine bessere.
GB: Wie war Ihr Verhältnis zu Ihnen? Zu Gunder und Lisbeth?
EB: (Lacht auf). Schlecht. Um es kurz zu machen.
GB: Trotzdem sträubten Sie sich nicht dagegen, dass sie sich um Billy kümmerten?
EB: Wo war die Alternative? Ich sollte bis zu vierzehn Jahre in Hinseberg einsitzen. Sie hatten keine eigenen Kinder. Billy lag ihnen, auf ihre Art, trotz allem am Herzen. Er …
GB: Ja?
EB: Er hatte es bei ihnen besser als bei Harry und mir.
GB: Aber warum hatten Sie keinen Kontakt zu ihnen?
EB: Weil Gunder das so wollte.
GB: Und Lisbeth?
EB: Lisbeth hatte in dieser Ehe nie etwas zu sagen.
GB: Aber Sie akzeptierten es, keinen Kontakt zu haben?
EB: Hatte ich denn eine Wahl? Ich war eine Mörderin, die ihren Mann zerstückelt hatte, vergessen Sie das nicht. Wie hätte es Billy denn helfen sollen, wenn ich ihn in seinem neuen Zuhause regelmäßig besucht hätte. Sie behielten für sich, woher er kam, und das war richtig so.
GB: Dann nahmen Sie also jede Schuld und Verantwortung auf sich?
EB: Ja, so könnte man es sagen.
GB: Und Sie finden es gerecht, dass es so gekommen ist.
EB: Es ging nicht um Gerechtigkeit. Aber können Sie mir eine bessere Lösung nennen? In der damaligen Lage?
GB: Vielleicht nicht. Aber Ihr Kontakt zu Billy ist auch nach Ihrer Entlassung aus dem Gefängnis schlecht geblieben, nicht? Seither sind immerhin mehr als zehn Jahre vergangen.
EB: Es ergab sich so. Das tut mir leid, aber wir sehen uns trotzdem von Zeit zu Zeit. Und Sie haben sich ja auch mit Billy getroffen, also wissen Sie, wie er ist. Er hat Probleme mit anderen Menschen.
GB: Sogar mit seiner Mutter?
EB: Die Jahre in Hallsberg haben ihn beeinflusst. Nein, wir haben nie wirklich zueinander zurückgefunden. Aber ich freue mich, dass es ihm gut geht. Juliana ist ein guter Mensch. Die Hauptsache ist doch …
GB: Ja? Was ist die Hauptsache?
EB: Die Hauptsache ist, dass er ein Leben in Würde bekommen hat. Und nicht, dass unsere Beziehung perfekt funktioniert. Stimmt’s? Es wäre egoistisch, so zu denken. Immerhin habe ich sogar eine Enkelin.
GB: Sie sind nicht verbittert?
EB: Wirke ich verbittert?
Als sie dies sagte, hatte sie vor sich auf dem Tisch die Hände gefaltet und ihm direkt in die Augen gesehen. Wirke ich verbittert? Er erinnert sich genau an ihren vollkommen gelassenen Blick und denkt, dass er selten oder nie mit einer solchen Ruhe konfrontiert gewesen ist. Was ist bloß mit dieser Frau?
Sie ist die einzige Mörderin dieser Art, der er jemals begegnet ist, und das hat er nicht erwartet. Er weiß zwar nicht, womit er eigentlich gerechnet hat, aber hiermit jedenfalls nicht. Einen anderen Menschen in Stücke zu zerlegen, was ist dazu erforderlich? Vielleicht nur ein paar Stunden verdrängter Panik und handwerkliches Geschick? Ihm fällt ein, dass Ellen Bjarnebo in einem Schlachthof gearbeitet hat. In den Berichten, die er gelesen hat, wird die Zerlegung Harry Helgessons als »professionell« oder »adäquat« beschrieben.
Eine adäquate Zerstückelung?
Er lauscht auch noch der letzten Minute auf dem Band, in der nichts von Bedeutung gesagt wird. Sie verabreden sich zu einem kurzen Gespräch nach dem Frühstück am nächsten Morgen, falls er das Gefühl haben sollte, dass dies nötig ist. Oder sie. Dann dankt er ihr, und sie sagt, es tue ihr leid, dass er gezwungen sei, diese alten Geschichten mit ihr durchzukauen, wo er doch eigentlich in Frieden um seine verstorbene Frau trauern sollte.
Haben Sie sie geliebt, möchte sie wissen, und es sind ihre letzten Worte, bevor er das Aufnahmegerät abstellt.
Ja, antwortet er, ich habe sie sehr geliebt.
Jetzt ist es nach Mitternacht, aber er findet keinen Schlaf. Natürlich nicht; er liegt da und wälzt sich unter der dünnen Decke im Zwielicht hin und her und versucht, das Denken abzuschalten. Als das nicht klappt, versucht er, eine Bibelstelle zu finden, vielleicht aus dem Buch Prediger
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