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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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überspannt, aber manchmal habe ich mir eingebildet, dass es tatsächlich die Stimme des Gewissens ist.
    GB: Ich finde nicht, dass das sonderlich überspannt klingt.
    EB: Danke. Jedenfalls fuhr ich, als ich einen Tag Hafturlaub hatte, zum Hof zurück. Klein-Burma war bereits an ein Öko-Paar verkauft worden, das Land hatte Göran gepachtet, und dann erzählte ich Ingvor, was passiert war. Göran sah ich damals nicht, aber ich habe begriffen, dass es ihnen das Genick brach.
    GB: War das Ihre Absicht?
    EB: Überhaupt nicht. Aber es war nicht meine Sache, Görans Schuld auf mich zu nehmen. Vielleicht habe ich sogar geglaubt, ihnen einen Gefallen zu tun.
    GB: Aber das taten Sie nicht?
    EB: Das kann ich nicht beurteilen. Aber irgendetwas muss bei den beiden doch im Argen gelegen haben, wenn er zur Nachbarin läuft, um sich zu befriedigen. Ich glaube übrigens nicht, dass ich die Einzige war. Ich denke, dass Göran Helgesson sich eine andere anlachte, als ich im Gefängnis landete.
    GB: Aber sie hatten auch während dieses Sommers etwas miteinander?
    EB: Ja.
    GB: Bereuen Sie das?
    EB: Dass ich mit Göran zusammen war?
    GB: Ja. (Einige Sekunden Pause, während sie schweigen und die letzten Tropfen aus ihren Cognacgläsern trinken.)
    EB: Am Anfang zwang er mich dazu. Wir schuldeten ihm Geld, und er nahm als Bezahlung stattdessen mich. Die Initiative dazu ging nie von mir aus, und es machte mir niemals Spaß.
    GB: Es machte ihnen keinen Spaß?
    EB: Nein.
    GB: Und Harry ahnte nie etwas?
    EB: Nein, dann hätte er reagiert.
    GB: Und wie?
    EB: Keine Ahnung. Ich nehme an, er wäre ausgerastet. Harry war nicht besonders gut darin, sich zurückzuhalten.
    GB: Und Billy?
    EB: Wie meinen Sie das?
    GB: Könnte Billy gewusst haben, dass Sie und Göran ein Verhältnis hatten.
    EB: Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wir trafen uns nicht besonders oft, und Göran hatte immer Angst, erwischt zu werden.
    GB: Auch von Billy?
    EB: Nein, das vielleicht nicht. Aber er nutzte es immer aus, wenn er wusste, dass Harry nicht zu Hause war. Das war nicht weiter schwierig, denn die Straße führte ja an ihrem Haus vorbei. Wenn er Harry mit dem Auto vorbeifahren sah, wusste er, dass die Luft rein war.
    GB: Wie lange lief das so?
    EB: Zwischen mir und Göran?
    GB: Ja.
    EB: Weniger als ein Jahr. Ja, genau, es hatte im Winter angefangen.
    GB: Ich verstehe.
    Er stoppt das Band für einen Moment. Was verstehe ich?, denkt er. Denn es liegt ein größeres Gewicht in diesem kleinen, missbrauchten Wort als zuvor – als zu Beginn, als sie in einer Art Versuch, sich gegenseitig auszumanövrieren, damit jongliert haben.
    Was sind das für Ahnungen, die sich in dieser speziellen Phase des Gesprächs einstellen, überlegt er. Er spürte etwas, als sie dort saßen, und nun, hinterher, während er mit immer noch erhöhtem Puls in diesem unbequemen Bett liegt, empfindet er das Gleiche.
    Geht es um etwas in ihren Worten oder in ihrer Art, ihn anzusehen? Oder um diese sanfte Nachdenklichkeit, die auf einmal in ihrer Stimme mitschwingt? Als wollte sie etwas erzählen, was sie nicht erzählen kann. Als hätte sie so lange an etwas so Schwerem und Hoffnungslosem getragen, dass sie sich dieser Bürde am liebsten entledigen würde?
    Einbildung, denkt er. Überinterpretation.
    Er lässt das Band weiterlaufen. Es beginnt mit einer kleinen Pause, und er erinnert sich, dass sie in diesem Moment hörten, wie jemand irgendwo im Haus ein Radio einschaltete, nur um es unmittelbar darauf wieder auszuschalten. Davon ist auf dem Band aus irgendeinem Grund jedoch nichts zu hören. Stattdessen vernimmt er seine brutal offene Frage.
    GB: Und Billy? Wie war das jetzt eigentlich? (Als würde er sie bitten, endlich die Karten auf den Tisch zu legen; vielleicht fasst sie seine Worte auch so auf, aber nach einigen Sekunden des Nachdenkens geht ihre Antwort in eine andere Richtung. Und er weiß nicht, um welche Karten es gegangen wäre.)
    EB: Ja, das ist sehr traurig.
    GB: Traurig? Dass Sie ihn verloren haben? Dass Sie den Kontakt zu ihm verloren haben, meine ich.
    EB: Ja. Aber man lernt, mit seiner Trauer zu leben. Ich weiß ja nicht, was passiert wäre auf Klein-Burma, wenn es stattdessen weitergegangen wäre. Besser gesagt, es hätte nicht weitergehen können … es gab irgendwie keine Lösung für unser Leben.
    GB: Keine Lösung für Ihr Leben?
    EB: Nein, wirklich nicht. Harry war ein böser Mensch. Anfangs vielleicht nicht, aber dann wurde er zu einem. Seine Wut und

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