Am Abend des Mordes - Roman
See auf, und die Straße führte links weiter, aber Morinders Haus lag ein kleines Stück in die entgegengesetzte Richtung. Auf einem unebenen und holprigen Waldweg erreichte er einen kleinen Wendeplatz mitten im Wald und hielt; hier lag ein verlassener Stapel Holzstämme, und daneben führte ein Fußweg zu einem kleinen, dunklen, fast am Seeufer gelegenen Bau. Er entdeckte ihn, als er aus dem Auto stieg, und es sah wahrhaftig aus wie das Haus, das Gott vergaß. Lautete so nicht der Titel dieses alten Horrorfilms?
Er legte die verbleibenden fünfzig Meter auf dem Pfad zurück, der kaum benutzt zu werden schien, und dass die Fischerhütte ihre historische Rolle, wie auch immer diese ausgesehen haben mochte, ausgespielt hatte, schien ebenfalls über jeden Zweifel erhaben zu sein. Die Bruchbude maß ungefähr fünf mal sechs Meter; sie war von meterhohem Unterholz umgeben, aber auf der Seeseite gab es eine kleine Veranda. Blechdach auf dem Haus, Plastik über der Veranda. Soweit es sich erkennen ließ, weder Strom noch fließendes Wasser. Wind und Wetter hatten die Holzpaneele dunkler und eventuell schimmelig werden lassen; Barbarotti bahnte sich einen Weg um das Haus herum, schiefe Fensterläden aus Holz schützten die drei Fenster, und nichts deutete darauf hin, dass in den letzten Jahren jemand seinen Fuß hierhergesetzt hatte. Unter einer verwitternden Plane lag ein Stapel Brennholz im gleichen, grauschwarzen Farbton wie das Haus. Zwei auf dem Kopf stehende, verrostete Blecheimer und ein Paar ausgediente Gummistiefel. Ein Plastikkanister, in den die Mäuse Löcher genagt hatten. Ein paar Meter weiter ein Plumpsklo.
War seit dem August 2007 niemand mehr hier gewesen? Oder seit die Polizei, etwas später im Herbst, das Interesse an dem Fall verloren hatte? Barbarotti drehte eine zweite Runde – andersherum – und dachte nach. Mittlerweile waren seit Morinders Verschwinden fast fünf Jahre vergangen, aber er war noch nicht für tot erklärt worden. Wenn es keine handfesten Gründe gab, wartete man in der Regel genau fünf Jahre, bis die Angelegenheit in Angriff genommen wurde, und es existierte wahrscheinlich niemand, der darauf pochte, ihn zu beerben. Niemand hatte darum gebeten, dass er für tot erklärt wurde, folglich wurde er offiziell noch zu den Lebenden gezählt. Nicht wahr? Keine Kinder, keine Geschwister; wenn es überhaupt so etwas wie einen Erben gab, war das vermutlich seine Lebensgefährtin.
Und was immer er, abgesehen von dieser Bruchbude und ein paar Dingen in der gemeinsamen Wohnung in Rocksta, an Kostbarkeiten besessen haben mochte, besonders begehrenswert dürfte es kaum sein.
Überlegte Inspektor Barbarotti nicht ohne Vorurteile und begab sich durch noch mehr Unterholz und über glatte Baumwurzeln hinweg zum Ufer des Sees. Zwischen zwei Erlen lag ein morsches Ruderboot an Land, vermutlich das Exemplar, in dem Anfang der achtziger Jahre einmal Alfons Söderberg gesessen hatte. Das Ufer war zugewuchert und schwer zugänglich, der Seegrund aller Wahrscheinlichkeit nach schlammig und uneben, aber mit hohen Gummistiefeln und der nötigen Begeisterung war es natürlich auch von einem solchen Startpunkt aus möglich, zum Angeln hinauszufahren.
Außerdem durfte man vermuten, dass es hier fünf Jahre zuvor etwas besser ausgesehen hatte. Trotzdem blieb schwer vorstellbar, wie man eine Frau hier herauslocken konnte, setzte Barbarotti seinen befangenen Gedankengang fort. Nichts deutete darauf hin, dass Morinder ein großer Charmeur war; warum fühlte Ellen Bjarnebo sich zu ihm hingezogen? Der einzige mildernde Umstand, der ihm zu diesem Ort in den Sinn kam, bestand darin, dass es keine Nachbarn zu geben schien. Jedenfalls nicht in Sicht- oder Hörweite.
Was wiederum hieß, dass dies ein ausgezeichneter Platz war, falls man jemanden erschlagen, ein bisschen zerlegen und in aller Ruhe vergraben wollte.
Wenn es um Liebe und Partner und solche Dinge ging, konnte eine frühere Mörderin vielleicht auch nicht unbedingt verlangen, die freie Wahl zu haben und aussortieren zu dürfen. Man musste nehmen, was man kriegen konnte, dachte Barbarotti und seufzte.
Er blieb mit den Händen in den Hosentaschen stehen und blickte auf das glänzende schwarze Wasser hinaus. Dachte, dass es keine besonders gelungene Ermittlungsarbeit gewesen war, was die Polizei von Kymlinge während einiger Herbstmonate 2007 veranstaltet hatte. Es war der Herbst gewesen, in dem er selbst und Eva Backman rund um die Uhr mit dem
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