Am Abend des Mordes - Roman
dies war ohnehin nur ein überflüssiges Gespräch zweier überflüssiger Menschen.
»Sie sagten, er sei in sich gekehrt und schüchtern und es sei nicht immer ganz leicht gewesen, mit ihm auszukommen.«
»Das habe ich gesagt? Na ja, das trifft es schon ziemlich gut. Außerdem stur, wenn man das Bild vervollständigen will.«
»Haben Sie eine Idee, was mit ihm passiert sein könnte?«, fragte Barbarotti.
Söderberg zog an seiner Zigarette, kratzte sich am Hals und schien nachzudenken. »Ich glaube, die Frage hat man mir beim letzten Mal nicht gestellt.«
»Ach ja?«, sagte Barbarotti. »Aber jetzt wird sie Ihnen gestellt. Was denken Sie, was ist mit Arnold Morinder passiert?«
»Tot«, antwortete Söderberg. »Es ist doch so klar wie Kloßbrühe, dass der Typ tot ist.«
»Wie?«, sagte Barbarotti.
»Hä?«
»Wie ist er Ihrer Meinung nach gestorben?«
»Das ist ja wohl verdammt noch mal nicht meine Sache, das herauszufinden«, entgegnete Söderberg. »Wer ist denn hier der Polizist, Sie oder ich?«
»Da haben Sie natürlich recht«, sagte Barbarotti. »Aber ich habe Sie ja auch nur nach Ihrer Meinung gefragt. Sie brauchen sich nicht für sie zu rechtfertigen, und falls Sie keine haben sollten, können Sie genauso gut schweigen.«
Söderberg rauchte, hustete und räusperte sich eine Weile.
»Ich denke, sie war es«, sagte er schließlich.
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Barbarotti.
»Na sie, die Schlächterin«, sagte Söderberg.
»Mhm?«, gab Barbarotti von sich.
»Sie hat es doch vorher auch schon mal gemacht. Wenn man so bescheuert ist, etwas mit einem solchen Frauenzimmer anzufangen, ist man selber schuld.«
»Das ist ein Gesichtspunkt«, meinte Barbarotti. »Und war Morinder Ihrer Ansicht nach wirklich so dumm?«
Söderberg drückte die Zigarette aus und überlegte.
»Was heißt hier dumm«, sagte er dann. »Ich weiß nicht, er war jemand, an dem man nie wirklich herankam. Ich hatte ja nicht so viel mit ihm zu tun, aber ich glaube, das ging allen so.«
»Immerhin haben Sie in seinem Sommerhaus übernachtet«, sagte Barbarotti. »Soweit wir wissen, stehen Sie damit ziemlich allein.«
»Abgesehen von der Schlächterin«, widersprach Söderberg.
»Abgesehen von ihr, stimmt. Aber Sie sind jedenfalls in den achtziger Jahren zum Angeln dort gewesen, trifft das zu?«
»Allerdings«, antwortete Söderberg, »aber nur einmal. Nicht ein Fisch hat angebissen, obwohl wir stundenlang in seinem leckenden Dreckskahn gehockt haben. Wir aßen und tranken, und am Ende waren wir betrunken. Das war alles. Er wurde nicht gesprächiger, als er betrunken war, die meisten werden dann ja redselig, aber Morinder nicht.«
»Ich verstehe«, sagte Barbarotti. »Was führte dazu, dass Ihre Freundschaft endete?«
»Freundschaft?«, sagte Söderberg.
»Nennen Sie es, wie Sie wollen«, erwiderte Barbarotti.
»Tja«, sagte Söderberg. »Er arbeitete ja nicht mehr für die Firma, und damit hatte sich die Sache erledigt.«
»Warum hörte er auf?«
Söderberg zündete sich eine weitere Zigarette an und blies neuen Rauch auf den Computer.
»Es ging um etwas auf einer Baustelle. Er hatte Mist gebaut und weigerte sich, die Verantwortung dafür zu übernehmen.«
Barbarotti wartete.
»Die gottverdammte Sauna brannte komplett aus, und er hatte den Strom gelegt. Die Sache war so was von klar.«
»Aber er stritt es ab?«
»Log mir direkt ins Gesicht. Daraufhin musste er gehen.«
»Gab es Krach?«
»Nein. Er ging einfach. Bekam wahrscheinlich zwei Wochenlöhne, er wusste, dass es seine Schuld war, aber er zeigte es mit keiner Miene.«
»Fanden Sie das nicht eigenartig?«
»Ich und alle anderen. Aber wir wussten, dass er eigenartig war.«
Barbarotti blickte eine Weile zur verräucherten Decke hinauf und dachte nach.
»Und seine Frau?«, sagte er. »Diese Engländerin? Sie waren bei der Hochzeit, war es nicht so?«
Söderberg nickte. »Stimmt. Erst beim Bürgermeister und hinterher in der Gaststätte. Wir waren bloß zu sechst.«
»Wer waren die anderen?«
»Das Brautpaar war da, wenn ich mich richtig erinnere.«
Barbarotti sah aus dem Fenster.
»Dann war da noch ein Verwandter von ihm, ein Cousin oder so. Ein großer Bursche mit Unterbiss, der den Mund nicht aufbekam, ich glaube, er hieß Bertil. Und dann noch zwei Freundinnen der Braut.«
»Also keine größere Veranstaltung?«
»Keine größere«, bestätigte Söderberg. »Und die Sache hielt dann wohl ungefähr ein Jahr. Sie war einiges jünger als er,
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