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Am Abgrund der Zeit (Science-Fiction-Roman) (German Edition)

Am Abgrund der Zeit (Science-Fiction-Roman) (German Edition)

Titel: Am Abgrund der Zeit (Science-Fiction-Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wegener
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dass der Arzt ihn immer wieder anblickte. Bonellis Aura war dabei sehr stark ausgeprägt.
    »Sie mustern mich seit ein paar Tagen wie einen seltenen Käfer«, sagte Gray zur Verblüffung des Arztes. »Sehe ich vielleicht wie ein Ungeheuer aus, Doc?«
    Bonelli wedelte nervös mit der rechten Hand umher. Sein Posaunenengelgesicht färbte sich rötlich.
    »Nein, nein. Aber Sie sind krank, mein Lieber. Schon seit einigen Tagen fällt mir auf, dass Ihre Lymphdrüsen stark geschwollen sind. Besonders am Hals. Lassen Sie mich mal Ihre Leber abtasten.«
    Kane Gray ließ alles willenlos mit sich geschehen, als Bonelli mit drei spitzen Fingern seine rechte Leistengegend befühlte.
    »Magenbeschwerden, Übelkeit oder Erbrechen?«, erkundigte er sich.
    »Übelkeit, aber nur manchmal. Ich fühle mich mitunter sehr müde. Ansonsten geht es mir ganz gut.«
    »Ja, das sehe ich. Sehr gut geht es Ihnen, mein Freund. Wir gehen am besten gleich mal zur Medostation und sehen nach, was Ihnen fehlt.«
    Gray wollte protestieren, als Stafford sich einschaltete.
    »Das ist ein Befehl, Mr. Gray«, sagte er sanft.
    Der Navigator erhob sich. Sein fein modelliertes Gesicht war ein wenig eingefallen. Er wirkte um Jahre gealtert.
    Bonelli verlor keine Zeit und unterzog Gray einer gründlichen Untersuchung, die mit einem serologischen Test endete.
    Normalerweise hätte er ein paar makabre Kommentare zum Besten gegeben, denn er war ein extrovertierter Pragmatiker, doch diesmal ersparte er sich jeden witzigen Einfall.
    »Legen Sie sich da drüben auf die Liege, Gray. Ich gebe Ihnen eine Spritze und dann können Sie ein paar Stunden ruhen.«
    Etwas später schlief Gray tief und fest, während der Computer die serologische Analyse vornahm.
    Als sie fertig war, hatte Bonelli einen pelzigen Geschmack im Hals und rannte zur Zentrale hinüber. Er setzte sich und stieß heftig die Luft aus. Danach zündete er sich mit fahrigen Bewegungen eine Zigarette an und inhalierte tief.
    »Müssen Sie unbedingt mit Ihren verdammten Sargnägeln die saubere Luft verpesten, Doc?«, fragte Stafford scharf. »Rauchen ist nur drüben in der Nische erlaubt. Und was ist mit Gray passiert?«
    Bonelli drückte die Zigarette nervös zusammen.
    »Er schläft jetzt. Meine Untersuchung und die Analyse haben ergeben, dass er an akuter Leukämie erkrankt ist.«
    Duke B. Staffords Gesicht wurde grau, dann aschfahl.
    »Wenn das wieder einer Ihrer makabren Scherze ist, Doc«, sagte er tonlos, »dann vergreife ich mich persönlich an Ihnen.«
    »Ich wünschte, es wäre so«, flüsterte Bonelli. »Aber die Anzahl seiner Leukozyten ist so stark angestiegen, dass sie sich mehr als verzehnfacht hat. Normal sind etwa siebentausend pro Kubikzentimeter, wie Sie sicher wissen.«
    Die anderen traf es wie ein Keulenhieb, als sie das erfuhren. Auch ihre Gesichter verloren alle Farbe.
    Stafford wollte erst fragen, ob Bonelli sich in seiner Diagnose vielleicht geirrt haben könnte. Aber er fragte nicht. Er kannte Bonellis treffsichere Diagnosen zur Genüge.
    »Was können wir tun?«, fragte er stattdessen. »Er ist unser wichtigster Mann an Bord. Ohne ihn gibt es keinen Hinflug und erst recht keine Rückkehr mehr.«
    »Sein Blut austauschen«, murmelte Bonelli verzweifelt. »Das würde sein Leben beträchtlich verlängern. Aber in der Medostation habe ich keine Möglichkeit dazu. Die Krankheit ist spontan aufgetreten, obwohl ich sicher bin, dass er sie schon seit ein paar Wochen mit sich herumschleppt. Ich könnte es noch mit Bestrahlung versuchen, doch der Erfolg wird vermutlich ausbleiben.«
    »Akuter Verlauf der Leukämie«, sagte Stafford leise. »Das bedeutet im Klartext, dass er nur noch wenige Wochen zu leben hat. Sehen Sie das anders, Dr. Bonelli?«
    Bonellis müde Geste drückte seine ganze Hilflosigkeit aus.
    »Nein, ganz sicher nicht.«
    Minutenlang herrschte lähmendes Schweigen in der Zentrale. Jeder dachte darüber nach, was passieren würde, wenn der sogenannte Celestial-Atlas für immer ausfiel. Zuerst würde man seinen Tod sehr bedauern, und dann würde jeder an sich selbst denken. Auch darin war jeder ehrlich und machte sich nichts vor.
    Seine Krankheit war ein Problem, das nicht zu lösen war. Und sein Tod würde sie endgültig zu Gefangenen der Zeit machen. Niemand war in der Lage, sich im Hyperraum zurechtzufinden. Auch wenn sie über das EEG des Navigators tausendmal zusahen. In der anderen Dimension waren sie absolut blind, weil sie nicht die überragende Gabe eines Kane Gray

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