Am Anfang des Weges
soll.«
Darüber musste sie lächeln. »Das ist keine gute Idee«, sagte sie. »Und das Zimmer ist okay?«
»Es ist das Vier Jahreszeiten verglichen mit dem Ort, an dem ich letzte Nacht geschlafen habe.«
»Wo haben Sie denn geschlafen?«
»In diesen kleinen Hütten etwa fünf Meilen den Berg hoch.«
Mit noch vollem Mund sagte sie: »Ja, die kenne ich. Es sind vier oder fünf. Eine davon ist eingestürzt.«
»Die meine ich.«
»Im Sommer hängen Jugendliche dort herum und feiern Partys.«
Ich nahm einen Bissen von dem Hackfleisch-Sandwich. »Sind Sie von hier?«
»Nein, ich bin aus Dallas.«
»Wie verschlägt es einen denn aus Dallas in den 59er Diner?«
»Ich hatte einen Freund, der hierhergezogen ist, um die Blockhütte seiner Tante wieder in Schuss zu bringen, und ich bin ihm gefolgt.« Sie legte die Stirn in Falten. »Und dann ist er mit einer anderen durchgebrannt.«
»Und hat Sie hier sitzen lassen?«
»Ich bin hier ja nicht angekettet. Es gefällt mir. Zumindest im Augenblick. Niemand bleibt ewig hier. Bis auf Dan.«
»Wer ist denn Dan?«
»Ihm gehört der Diner.« Sie tunkte einen Zwiebelring in Ketchup. »Sie haben schöne Augen«, sagte sie. »Traurig, aber schön.«
»Danke.«
»Keine Ursache. Und wo kommen Sie her?«
»Aus Seattle, jedenfalls zuletzt.«
Sie nahm einen weiteren Bissen. »Und davor?«
»Ich bin in Colorado geboren und in Pasadena aufgewachsen.«
»Ich habe mal einen Sommer in Boulder, Colorado, verbracht. Ich bin viel gewandert. Das hat Spaß gemacht. Wie lange sind Sie schon auf der Straße?«
»Nicht lange. Fünf, sechs Tage.«
»Wohin gehen Sie?«
»Weg.«
Sie nickte. »Das ist ein bisschen … vage.«
»Als ich Bellevue verließ, beschloss ich, so weit zu gehen, wie es zu Fuß auf diesem Kontinent möglich ist. So kam ich auf Key West, Florida.«
»Sie gehen zu Fuß nach Key West?«
»Ja.«
»Wow. Wie viele Meilen sind das denn?«
»Dreitausend oder so.«
Sie dachte darüber nach. »Ich bewundere Sie. Ich glaube, die meisten Leute träumen davon, so etwas zu tun, aber sie tun es nie. Das Leben legt ihnen zu viele Fesseln an. Wie stellt man das denn an – alles einfach so zurückzulassen? Sie müssen doch einen Job gehabt haben, Freunde, Familie.«
»Hatte ich.«
»Sie meinen, bis Sie gegangen sind?«
»Nein, man könnte sagen, sie haben mich verlassen.«
Sie nickte, als hätte sie plötzlich verstanden, was ich meinte. »Wollen Sie darüber reden?«
Zu meiner Verblüffung wollte ich das. »Es ist die typische Geschichte vom reichen Mann, der alles verliert. Ich hatte das perfekte Leben. Und in weniger als sechs Wochen war es dahin.«
»Was haben Sie in diesem perfekten Leben denn gemacht?«
»Ich hatte eine Werbeagentur in Seattle.« Mein Tonfall wurde sanfter. »Ehrlich gesagt, war mein Vermögen dabei der kleinste Verlust. Eines Tages wurde meine Frau von ihrem Pferd abgeworfen. Sie war von der Taille an abwärts gelähmt. Einen Monat später starb sie an den Komplikationen. Während ich mich um sie kümmerte, stahl mir mein Geschäftspartner meine Agentur, und mein Haus wurde unter Zwangsvollstreckung gestellt. Ich hatte alles verloren. Und das war der Punkt, an dem ich beschloss, wegzugehen.«
»Sie sind die ganze Zeit bei Ihrer Frau geblieben?«
Ich nickte. »Natürlich.«
»Das ist wirklich cool. Das mit Ihrer Frau tut mir leid. Es muss furchtbar gewesen sein.«
Ich nickte.
»Und das mit diesem Schuft von einem Geschäftspartner tut mir auch leid. Es gibt einen besonderen Ort in der Hölle für Leute wie ihn.«
»Davon habe ich gehört.«
Wir aßen schweigend zu Ende, ließen das ernste Gespräch nachwirken. Sie betrachtete meinen leeren Teller. »Möchten Sie jetzt vielleicht Ihre Malzcreme?«
»Gern.«
Sie holte die beiden Becher aus dem Kühlschrank, dann nahm sie wieder Platz und stellte mir einen der Becher hin. »Etwas Positives hat Ihr Abenteuer aber auch. Wenn Sie so viel laufen, können Sie vermutlich essen, was Sie wollen.«
»Ich nehme an, ich verbrenne ungefähr fünftausend Kalorien am Tag. Vermutlich genau so viel, wie diese weltberühmte Malzcreme hier hat.«
Sie grinste. »Die habe ich selbst gemacht. Sie ist es wert. Glauben Sie mir.«
Ich nahm einen Löffel in die Hand. »Und wie lange wollen Sie noch hierbleiben?«
»Eigentlich wohne ich gar nicht hier. Ich wohne ein paar Kilometer weiter, in Peshastin. Aber ich weiß es nicht. Vielleicht noch ein, zwei Jahre. Ich nehme an, ich warte nur.«
»Worauf?«
Sie
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