Am Anfang eines neuen Tages
darauf erwidert. Und sie wusste immer noch nicht, wie sie seine Frage beantworten sollte: „Was wünschen Sie sich für Ihr Leben, für Ihre Zukunft?“
Josephine blickte auf ihre kaputten Schuhe hinunter, anstatt ihn anzusehen. „Erinnern Sie sich an das Baumhaus auf unserem Grundstück? Wo wir uns zum ersten Mal begegnet sind?“
„Ja, natürlich.“
„Wir können uns nicht oft sehen, Alexander … aber vielleicht ab und zu.“
„Morgen?“
Jo konnte nicht atmen. „Nein … Dienstag. Früh morgens, vor dem Frühstück.“ Sie eilte zum Haus zurück, so schnell es ihre zerrissenen Schuhe zuließen. Währenddessen fragte sie sich, was um alles in der Welt sie da eigentlich tat.
Kapitel 21
3. Juni 1865
Eugenia suchte vergeblich nach einem Umschlag. Sie hatte schon Mühe gehabt, ein schönes Blatt Papier und genügend Tinte zu finden, um einen Brief an ihre Schwester zu schreiben, aber ihren Vorrat an Umschlägen hatte sie im Krieg offenbar vollständig aufgebraucht. Egal. Olivia würde das verstehen. Das Wichtigste war die Botschaft, die sie sandte, nämlich dass Olivia und Charles und ihre Töchter zu Eugenias Tanzveranstaltung am ersten Juli eingeladen waren. Es würde für sie mit Sicherheit ein besonderes Ereignis, ein Wochenende lang der zerstörten Stadt und den unerträglichen Yankeesoldaten entfliehen zu können. Daniel würde ihren Brief persönlich überbringen, wenn er am Montag nach Richmond reiste.
Das Haus wirkte ungewohnt still. Wo waren Mary und Josephine? Eugenia überlegte sich, dass es klug wäre, das herauszufinden. Seit Josephine von Priscillas Haus zurückgekehrt war, sah Eugenia sich gezwungen, ihr zu folgen, als wäre sie ein Kleinkind, das Streiche ausheckt. Sonst würde sie Josephine dabei ertappen, wie sie in der Küche Geschirr abwusch oder draußen im Garten arbeitete oder durch den Wald oder über die Baumwollfelder streifte. Warum nur war ihre Tochter nicht damit zufrieden, sich wie eine anständige junge Dame zu benehmen? Sie musste sich ebenso dringend verlieben und eine Familie gründen wie Daniel.
Eugenia blickte durch das Fenster ihres Vormittagssalons, um nachzusehen, ob Josephine im Gemüsegarten arbeitete. Zum Glück tat sie das nicht, es sei denn, sie war nur nicht zu sehen, weil sie sich gerade bückte und etwas pflanzte oder wer weiß was tat. Der Morgennebel, der wie ein Brautschleier über dem Land gelegen hatte, war endlich verschwunden und Eugenia konnte den großen Sklaven Otis sehen, der dabei war, den Weidezaun zu reparieren. Die Yankees hatten viele der Latten während des Krieges abgebaut, wahrscheinlich, um sie als Feuerholz zu benutzen. Aber jetzt, wo Daniel eingewilligt hatte, ein Maultier und ein paar Schweine zu kaufen und vielleicht eine Kuh und ein zweites Pferd – soweit Eugenias schwindende finanzielle Mittel das zuließen –, mussten die Zäune ausgebessert werden. Sie würde Daniel die letzten Goldmünzen geben, die sie und die Mädchen in die Säume ihrer Kleider eingenäht hatten. Gott sei Dank hatte Philip nicht jeden Cent, den sie besaßen, in die Konföderation investiert. Wenigstens konnten sie noch ein Jahr überleben.
Eugenia wanderte durch die leeren, staubbedeckten Räume ihres Hauses und trauerte um ihre verblichene Schönheit, bis sie im Salon auf Josephine und Mary stieß. Sie saßen an einer Stelle, die von der Frühlingssonne beschienen wurde, die Flügel der Terrassentür weit geöffnet, und der Raum war vom Duft feuchter Erde und frischer Blätter erfüllt. Mary las mit ihrer samtweichen Stimme vor, während Josephine sich über einen Haufen gebauschten grünen Tafts beugte – das war eines der Kleider, aus denen sie im Laufe des Krieges herausgewachsen war. Sie nähte. Sie nähte!
Eugenia durchquerte den Raum und stellte sich zwischen Josephine und die Tür, sodass sie ihr im Licht stand. „Was machst du da?“
Mary blickte auf und markierte mit dem Finger die Stelle im Buch, bis zu der sie gekommen war, aber Josephine arbeitete ungerührt weiter. „Ich ändere mein altes Kleid, damit es Mary passt.“
„Aber … aber du weißt doch gar nicht, wie das geht. Du wirst es ruinieren.“
„Nein, das werde ich nicht. Ich habe das schon einmal gemacht. Eines von Mrs Blakes neuen Dienstmädchen ist eine hervorragende Näherin und sie hat mir gezeigt, wie man zusätzlichen Stoff nimmt und Zwickel näht, um das Mieder weiter zu machen. Und wenn ich den Rock etwas weniger voll mache, kann ich ein Stück Stoff an den Saum
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