Am Anfang eines neuen Tages
meinst du nicht?“
Sie entfernte gewaltsam seine Finger von ihrem Arm. „Ich hasse dich“, flüsterte sie.
„Ich hasse dich nicht, Josephine. Eigentlich bewundere ich dich sogar. Mein eigenes Leben ist es, das ich hasse.“
Auf dem Heimweg hatte Josephine Mühe, ihre Gefühle zu verbergen. Angestrengt versuchte sie, nicht zu weinen und mit halbem Ohr zuzuhören, wie ihre Mutter die ganze Zeit von Jos Glück sprach und davon, dass Priscilla eine so liebe, liebe Freundin sei. Als die Kutsche vor dem Haus vorfuhr, wurde Jo bewusst, dass ihre Mutter ihr eine Frage gestellt hatte, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie lautete.
„T-tut mir leid. Es geht mir nicht gut. Was hast du gesagt?“
„Ich habe dich gefragt, was du davon hältst, dass Harrison dir den Hof macht.“
Wieder hatte Josephine Angst, sich übergeben zu müssen. „I-ich empfinde nichts für Harrison.“
„Natürlich nicht. Noch nicht. Empfindest du denn etwas für Henry Schreiber?“
„Nein.“
„Siehst du? Es ist ein Luxus, mehr als einen Verehrer in Betracht ziehen zu können. Dein Bruder und Harrison waren früher unzertrennlich. Ich bin mir sicher, wenn Samuel noch am Leben wäre, wäre er froh, wenn du seinen Freund heiraten würdest.“
Als Willy ihr aus der Kutsche half, schienen Josephines Beine nicht dazu in der Lage zu sein, sie zu tragen. Eigentlich wollte sie nur nach oben in ihr Zimmer rennen, wo sie endlich weinen konnte, aber sie legte erst im Foyer sorgfältig Handschuhe und Hut ab, damit ihre Mutter keine Fragen stellte, und ging dann langsam hinauf in ihr Zimmer.
Mary und Daniel saßen auf ihrem Bett und warteten auf sie. Daniel hielt die Briefe, die Alexander Chandler ihr geschrieben hatte, in der Hand.
Die ganze Wut und Qual, die sich in Josephine aufgestaut hatten, brachen aus ihr hervor und sie stürzte sich auf ihren Bruder und versuchte, ihm die Briefe zu entreißen. „Was machst du damit? Die gehören mir!“ Er war zu stark für sie und wehrte sie ohne Mühe ab, während er aufstand und die Briefe über seinen Kopf hielt, wo sie sie nicht erreichen konnte. Sie wandte sich an ihre Schwester und packte sie an den Schultern. „Wie konntest du nur, Mary! Wie kannst du es wagen, meine privaten Dinge anzurühren? Dazu hast du kein Recht!“
„Hör auf, Jo“, sagte Daniel. „Lass das!“ Er schob sich zwischen sie und stieß Josephine von Mary fort. Die zerknitterten Briefe hatte er in seine Tasche gestopft. „Setz dich und beruhige dich. Willst du, dass Mutter dich hört?“ Er drängte Josephine zurück, bis sie auf Marys Bett sank, weil ihre zitternden Knie sie nicht länger trugen. „Mary hat mir die Briefe gezeigt, weil sie sich Sorgen um dich macht. Sie sagte, du habest dich ganz allein mit diesem Yankee im Wald getroffen. Diese Briefe beweisen, was los ist – ‚Meine liebe Josephine‘“, äffte er den Brief nach. „‚Sie sollten aus Liebe heiraten … Ihr Alexander.‘“
Der Gedanke, dass Mary und Daniel zusammen dort gesessen und ihre persönlichen Briefe gelesen hatten, erfüllte Jo mit Empörung. Sie sprang auf und warf sich erneut auf ihn. „Du hast kein Recht dazu! Mein Leben geht dich gar nichts an!“
„Hör auf zu schreien“, sagte Daniel. Seine Stimme klang leise und unnatürlich ruhig, während er sie festhielt. „Wir sind diejenigen, die ein Recht haben, wütend zu sein, nicht du. Du hast dich hinter unserem Rücken schändlich mit einem unserer Feinde eingelassen. Also hör mir genau zu. Du wirst ihn nie wiedersehen, nie mehr mit ihm sprechen oder ihm schreiben, hast du verstanden?“ Der Griff um ihren Arm wurde fester. „Denn wenn es sein muss, werde ich dich einsperren, um dich daran zu hindern. Du bist eine Schande, Josephine!“
„Nein! Du bist ein Schandfleck! Ich weiß, was du getan hast. Du hast die Schule in Brand gesteckt und Otis und Willy und die anderen hilflosen Menschen dort im Wald zusammengeschlagen. Du hast zwei wehrlose Menschen ermordet! Das wirst du noch bereuen! Alexander Chandler untersucht alles und er hat Zeugen. Er wird herausfinden, dass du es warst!“
„Beschuldigst du mich etwa?“
„Ja! Du und deine Freunde, ihr habt all diese schrecklichen Dinge getan.“ Sie wandte sich an ihre Schwester mit der Absicht, auch sie zu verletzen. „Joseph Gray war einer von ihnen, Mary. Er ist genauso schuldig wie Daniel. Willst du wirklich einen Mann heiraten, der in der Lage ist, unschuldige Menschen umzubringen?“
„Das ist eine Lüge!“, sagte Mary.
Weitere Kostenlose Bücher