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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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jetzt waren die Baumwolle und die Sklaven nicht mehr da. „Warum habt ihr beschlossen zu bleiben, Lizzie?“
    Sie überlegte, auf die Hacke gestützt. „Otis und ich haben drei Kinder, an die wir denken müssen. Wir können sie doch nicht hungern lassen.“
    Lizzie hatte Kinder? Das war noch etwas, das Josephine nicht gewusst hatte. „Wie heißen deine Kinder?“
    „Roselle, Rufus und Jack.“
    „Warte mal. Roselle ist deine Tochter? Aber du siehst gar nicht so aus, als wärest du alt genug, um ihre Mutter zu sein!“
    Lizzie wandte den Blick ab und senkte den Kopf, als wäre ihr dieses Thema unangenehm. Jo tat es leid, dass sie gesprochen hatte, ohne nachzudenken – etwas, wofür Mutter sie bestimmt getadelt hätte. Aber Lizzie sah so jung aus, auf keinen Fall älter als dreißig. Was bedeutete, das sie fünfzehn oder sechzehn gewesen sein musste – so alt wie Mary –, als Roselle geboren worden war. Warum hatte Lizzie so jung geheiratet und Kinder bekommen?
    Vor dem Krieg hatte die Aufgabe, einen geeigneten Ehemann zu finden, einen Großteil von Jos gesellschaftlichen Verpflichtungen und Aktivitäten bestimmt. Sie hatte lernen müssen, attraktiv und selbstsicher zu wirken, damit ihr Charme den der anderen Mädchen überflügelte und die Aufmerksamkeit eines Mannes erweckte. Die Ehe war der Preis am Ende des Wettbewerbs gewesen. Jo dachte an die lange Liste der Namen, die der Pastor während des Krieges jeden Sonntag mit seiner feierlichen Stimme vorgelesen hatte – die Namen der Männer, die in der Schlacht gefallen waren wie ihr Bruder Samuel, junge Männer, denen sie auf Bällen begegnet war. Sie alle waren nicht mehr da. Wie konnte das Leben für irgendjemanden unverändert weitergehen?
    „Ich bin froh, dass ihr beschlossen habt zu bleiben und für uns zu arbeiten“, sagte Jo endlich, um das lange Schweigen zu beenden. „Und ich bin froh, dass du mir beibringst zu –“
    „Josephine!“
    Sie blickte erschrocken auf. Mutter stand an der Hintertür und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. „Ich habe dich überall gesucht. Was in aller Welt machst du da?“
    „Ich arbeite im Garten.“
    „Komm sofort ins Haus!“ Die Tür knallte hinter ihr zu, als sie zurück ins Haus stürmte.
    Josephine bemerkte Lizzies ängstlichen Blick und lächelte, um sie zu beruhigen. „Keine Sorge. Ich bin diejenige, die Ärger bekommt, nicht du.“ Sie setzte ihren Strohhut ab, während sie langsam zum Haus ging, und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Ihre Mutter wartete drinnen mit verschränkten Armen auf sie.
    „Was in aller Welt soll das? Wir sind noch nicht so tief gesunken, dass du wie ein Feldarbeiter draußen in der heißen Sonne arbeiten musst. Was werden die Leute von uns denken? Willst du, dass deine Haut braun wird und deine Hände überall Blasen haben wie die eines Sklaven?“
    „Ich langweile mich, Mutter. Es gibt nichts zu tun und ich dachte, ich sollte lernen, wie man Essen auf den Tisch bringt, für den Fall, dass Lizzie beschließt, uns auch zu verlassen. Außerdem tut es gut, draußen zu arbeiten. Und die Arbeit ist nicht schwer …“ Jo merkte, dass ihre Mutter ihr gar nicht zuhörte.
    „Es hat noch nie einen Weatherly gegeben, der wie ein Schwarzer arbeiten musste, und so wahr mir Gott helfe, das wird es auch nie geben.“
    Aber genau das ist ja das Problem, hätte Jo am liebsten gesagt. Gott hilft uns nicht.
    „Wusstest du, dass Otis mit Lizzie verheiratet ist?“, fragte Jo. Mutter blickte sie an, als hätte sie den Verstand verloren. „Und Roselle ist Lizzies Tochter. Sie haben auch noch zwei andere Kinder.“
    „Was ist nur mit dir los? Als wäre es nicht schlimm genug, dass du mit Sklaven zusammenarbeitest, hast du jetzt offensichtlich beschlossen, dich mit ihnen zu unterhalten. Also wirklich, Josephine!“
    „Sie sind nicht mehr unsere Sklaven. Sie sind Menschen. Wir sollten sie nicht wie Sklaven behandeln.“
    „Ich glaube, die Sonne hat dein Gehirn aufgeweicht. Geh, wasch dir das Gesicht mit kaltem Wasser und richte dein Haar.“ Mutter drehte sich um und stapfte davon. Jo folgte ihr den Gang hinunter in das Foyer.
    „Aber wir müssen unser Verhalten ändern, Mutter. Nichts ist mehr so wie früher.“
    „So wahr mir Gott helfe, ich werde alles wieder zurückverändern.“
    Diesmal ließ Josephine ihre Mutter gehen. Sie blieb allein in der Eingangshalle zurück und starrte wieder die leeren Stellen an – den staubigen Platz, an dem die große Uhr

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