Am Anfang eines neuen Tages
oben deine Hilfe brauchen. Cissy, du kannst anfangen, ein paar von diesen Kisten auszupacken. Stell die Bücher in die Regale in Master Philips Arbeitszimmer und sei bitte vorsichtig mit dem Geschirr und den anderen zerbrechlichen Dingen. Dolly und Lizzie, ich bin sicher, in der Küche gibt es genug zu tun, um das Essen rechtzeitig auf den Tisch zu bringen.“
„Ja, Ma’am.“ Lizzie ging zur Küche hinaus, um den Topf weiter zu schrubben. Sie fühlte sich immer noch nicht frei, aber dem gütigen Gott sei gedankt, dass wenigstens Otis wieder da war. Und wenn das, was er sagte, stimmte, dann konnte nichts und niemand sie wieder auseinanderreißen.
Kapitel 4
25. April 1865
Josephine blickte aus ihrem Schlafzimmerfenster und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sie das Gefühl hatte, vor Unglück sicher zu sein, und bis sie wirklich glauben konnte, dass keine schlimmen Dinge mehr geschehen würden. Ihre Familie war vor vier Tagen aus Richmond nach Hause zurückgekehrt und sie war froh darüber, wieder hier zu sein. Aber das Leben auf der White Oak Plantage war immer noch chaotisch und sie hatten nur sehr wenig zu essen. Ihr Magen war schon lange nicht mehr richtig voll gewesen.
Jo wusste nicht, was sie in dieser merkwürdig veränderten Welt, die der Krieg geschaffen hatte, den ganzen Tag mit sich anfangen sollte. Es war gefährlich, hinauszugehen, jetzt, wo Flüchtlinge und frühere Sklaven und Soldaten beider Seiten auf den Straßen herumliefen und versuchten, nach Hause zu gelangen. Sie hatte sich bisher kaum getraut, das Haus zu verlassen. Aber es langweilte sie unendlich, nur zu lesen und mit Mary zu reden – und ihre Schwester war höchstwahrscheinlich ebenso gelangweilt von ihr. Etwas für ihre Aussteuerkiste zu sticken, kam ihr wie Zeitverschwendung vor. Zeichnen und Aquarellmalerei lagen ihr nicht und außerdem hatten sie sowieso kein Geld, um neue Farben zu kaufen, wenn ihre jetzigen aufgebraucht waren. Jo hatte versucht, Klavier zu üben, aber ohne eine Lehrerin war es nicht so einfach, Fortschritte zu machen. Insgesamt gab es sehr wenig, was sie tun konnte, außer durch das widerhallende Haus zu wandern – und selbst das fand sie bedrückend.
Überall sah Josephine Lücken klaffen. Die Yankees hatten ihre schönen türkischen Teppiche gestohlen und unheimliche Muster auf dem Fußboden zurückgelassen, wo die Sonne die hölzernen Dielen ausgebleicht hatte. Aber die größte Lücke war die, die Daddy hinterlassen hatte. Jo hatte sich noch nicht an die Tatsache gewöhnt, dass er für immer fort war. Immer, wenn sie an seinem Arbeitszimmer vorbeiging und seinen Lieblingssessel sah, erschien es ihr falsch, dass er nicht dort saß und in seine Kontenbücher schrieb oder Schach spielte und den Raum mit aromatischem Zigarrenrauch füllte.
Ihr Bruder Samuel war auch nicht mehr da. Er war eine feste Einrichtung an der Seite ihres Vaters gewesen und hätte die Plantage eines Tages übernommen, so wie Daddy Großvaters Platz eingenommen hatte. Stolze Mütter waren mit ihren Töchtern gekommen und hatten gehofft, der gut aussehende Samuel Weatherly würde sich für sie interessieren. Wo würden all diese Mädchen jetzt Ehemänner finden, nachdem Sam und so viele seiner Freunde tot waren?
Josephine hielt von ihrem Fenster aus Ausschau nach ihrem Bruder Daniel. Sie hoffte, er würde bald nach Hause zurückkehren und die Plantage wieder zum Leben erwecken. Vor dem Krieg war er einen Großteil des Schuljahres über am College gewesen, sodass Jo an die Lücke, die er hinterließ, gewöhnt war. Trotzdem waren die Mütter gekommen, wenn Daniel zu Hause war, in der Hoffnung, dass sie auch mit ihm eine gute Partie machen konnten. Seit Jo und ihre Familie aus Richmond zurückgekehrt waren, hatte niemand Besuche gemacht und das war ihr gerade recht. Sie hatten weder Tee noch Kaffee, den sie hätten anbieten können, und keine Sklaven, die sie hätten bedienen können. Fast alle Sklaven von White Oak waren gegangen.
Die Plantage wirkte unnatürlich ruhig. Keine Glocke erklang am Morgen, keine traurigen Lieder waren zu hören, wenn die Arbeiter zu den Baumwollfeldern gingen oder abends zurückkamen. Auf den Feldern stand nur noch Unkraut, im Stall waren keine Tiere mehr. Köstliche Düfte aus der Küche gehörten der Vergangenheit an. Wo auch immer Jo hinsah, erblickte sie Leere, und die Stille folgte ihr überallhin. Am meisten vermisste sie die Musik, das Lachen und die Fröhlichkeit der Feste, die ihre
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