Am Anfang eines neuen Tages

ganze Geschichte von dir hören. Du brauchst nicht zu glauben, dass du meine Gefühle schonen musst. Ich will die Wahrheit. Dir wird nichts passieren, das verspreche ich. Ich will nur, dass du mir sagst, wer Roselles Vater ist.“
    Lizzie klammerte sich an Josephines Arm, während sie sprach, und hob nicht ein einziges Mal den Blick. Tränen liefen über ihr dunkles Gesicht, die sie mit der anderen Hand immer wieder fortwischte. „Es hat genauso angefangen wie mit Massa Daniel und meiner Roselle. Er hat mich beiseite genommen und mir gesagt, ich sei hübsch. Deshalb wusste ich … Darum musste ich Massa Daniel aufhalten –“
    „Lassen wir mal einen Moment beiseite, was Daniel getan hat. Ich möchte deine Geschichte hören.“
    Lizzie holte zitternd Luft. „Manchmal war er da und beobachtete mich, wenn wir alle morgens zum Feld gingen oder abends zurückkamen. In der Mittagspause hat er mir gesagt, ich solle aus der heißen Sonne gehen, ich sei zu hübsch, um eine so schwere Arbeit zu machen. Er hat mir immer nette Sachen gesagt, und ich habe ihm geglaubt. Die anderen Sklavinnen haben versucht, mich zu warnen, und mir gesagt, ich solle aufpassen, aber er war doch unser Massa. Ich musste ihm doch gehorchen.“
    Der Schmerz stach Eugenia ins Herz, als sie diese Worte hörte. David nahm ihre Hand und hielt sie fest, während Lizzie fortfuhr.
    „Meine Mama sagte: ‚Mach es, Mädchen. Du kannst ein besseres Leben haben. Frag ihn, ob du einen Job im großen Haus bekommst.’ Niemand hätte sich träumen lassen, dass wir irgendwann frei sein würden. Ich musste nicht mit ihm schlafen, um ein besseres Leben zu haben. Aber ich war die Baumwollfelder leid, also ließ ich mich von ihm küssen und umarmen. Er hat mir Geschenke gemacht, ein hübsches Kleid und Essen aus dem großen Haus. Sachen, die ich noch nie gegessen hatte. Es war ein wunderbares Gefühl. Noch nie hatte ich das Gefühl gehabt, dass ich geliebt werde, weil meine Mama sich nicht getraut hat, mich zu lieben, aus Angst, wir könnten getrennt und an verschiedene Besitzer verkauft werden. Sie sagte immer zu mir, ich solle mich nie verlieben, aber ich konnte nicht anders. Ich liebte ihn, also ließ ich mich von ihm auch lieben.“
    Eugenia konnte es nicht ertragen, den Rest zu hören. Hatte Philip wirklich all diese Dinge getan? Ein junges Mädchen so umworben? Sie verführt und sie angelogen? Oder war es möglich, dass Philip Lizzie auch geliebt hatte?
    „Er hat einen besonderen Ort gemacht, wo wir uns getroffen haben“, fuhr Lizzie fort. „Ein besonderes Bett mit hübschen Decken und so. Massas Freund hat auch da gewartet. Ich wollte, dass der andere Mann ging und uns allein ließ, aber Massa sagte, er würde alles mit seinem Freund teilen, also würde er mich auch mit ihm teilen. Ich sagte, dass ich das nicht wollte. Ich liebte nicht seinen Freund, sondern ihn. Aber sie haben mich beide ausgelacht. Und als ich weglaufen wollte …“
    „Oh …“, stöhnte Eugenia.
    „Hör auf, Lizzie“, sagte Dr. Hunter. „Du brauchst nicht weiterzuerzählen.“
    „Miz Eugenia wollte wissen, wer Roselles Vater ist“, sagte Lizzie, „aber ich kann es ihr nicht mit Sicherheit sagen, weil ich es nicht weiß. Es könnte Massa Samuel sein oder sein Freund, Massa Harrison.“
    Eugenia schloss die Augen, während ihre eigenen Tränen zu fließen begannen. Ihr Sohn Samuel hatte diese schreckliche Tat begangen und nicht Philip. Es tat ihr leid, dass sie an ihrem Mann gezweifelt hatte, aber sie fand keinen Trost in dem Wissen, dass ihr Sohn und sein Freund ein junges Sklavenmädchen vergewaltigt hatten und sie davon schwanger geworden war. Und wenn Eugenia ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass Daniel mit Roselle wahrscheinlich wirklich genau das Gleiche vorgehabt hatte.
    Und was war mit Harrison Blake? Eugenia hatte der Gedanke, dass Josephine den Yankee liebte, wütend gemacht, aber sie hätte beinahe eine Ehe zwischen Josephine und einem Mann arrangiert, der fähig war, ein junges Mädchen zu vergewaltigen.
    „Massa Philip hat für mich gesorgt“, kam Lizzie zum Ende. „Er hat Massa Samuel eine Zeit lang weggeschickt und er hat mir Arbeit im großen Haus gegeben. Und so schlimm das auch alles war, ich hatte meine Roselle und der Massa hat mir versprochen, dass niemand sie mir jemals wegnehmen würde.“ Jetzt hob Lizzie endlich den Kopf und sah Eugenia zum ersten Mal an. „Otis und ich werden White Oak jetzt verlassen. Ich weiß, dass Massa Daniel uns nicht